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Tageblatt/MZ stellt Varianten vor Straßenbahn-Ausbau Teil 2: Der Haken mit der Strecke unterhalb des Doms

In puncto Länge und Kosten liegt die Möglichkeit im Mittelfeld der drei Varianten.

Von Harald Boltze 11.02.2022, 09:33
Engstelle an der ehemaligen „Othmarsquelle“: Auch sie müsste weichen, um  den „Mittleren Ring“ möglich zu machen.
Engstelle an der ehemaligen „Othmarsquelle“: Auch sie müsste weichen, um den „Mittleren Ring“ möglich zu machen. (Foto: Torsten Biel)

Naumburg - Lang und damit viele Wohngebiete einbindend, aber auch extrem teuer; zugleich traditionsbewusst den alten Ring aufnehmend, aber aufgrund technischer Anforderungen auch die historischen Bahnen in die Nutzlosigkeit verdammend: So stellte Tageblatt/MZ in der gestrigen Ausgabe die Variante „Großer Ring“ im Zuge des geplanten Naumburger Straßenbahn-Ausbaus vor. Heute folgt Teil 2.

Die Vorzüge der „Mittleren Variante“: Die Wahrheit liegt meist in der Mitte, sagt man. Und dort befindet sich im Vergleich der drei Varianten die Strecke unter dem Dom entlang (Verlauf siehe Grafik links). In puncto Investitionskosten bettet sie sich mit kalkulierten 20,3 Millionen Euro zwischen dem „Großen Ring“ (31,5 Millionen) und dem „Kleinen Altstadtring“ (10,8 Millionen) ein. Auch die für den Ringschluss nötige zusätzliche 1,7-Kilometer-Strecke bewegt sich zwischen beiden Extrempolen. Die schwierigen Abschnitte der längsten Variante - Thüringer Pforte und Moritzberg - entfallen hier. Somit können auch die historischen Wagen weiter eingesetzt werden. Das spart Geld und sichert Tradition. Wie beim „Großen Ring“ würden vier neue Haltestellen entstehen. Dies wären hier: am Kramerplatz, am Parkplatz unterm Dom, am Moritzplatz und am „Schlachthof“ (dem neuen Theater). Ein symbolischer Vorteil gegenüber der kleinen Variante (die wir morgen vorstellen): Es würde tatsächlich ein Ring entstehen und nicht nur eine Schlaufe.

Nachteile und Herausforderungen: Wer sich das Foto oben anschaut, erkennt: Diese Engstelle zwischen „Othmarsquelle“ und ehemaligem Modellwarenladen sieht nicht aus wie eine Bundesstraße mit Pkw- und Lkw-Verkehr sowie zwei nebeneinanderliegenden Bahngleisen. Und es sind nicht nur die paar Meter. Fast das komplette Stück zwischen Einmündung in die Michaelisstraße und dem Dom-Parkplatz ist zu eng. Und wie löst man das? Vom Kramerplatz kommend, ist links eine Freifläche, die in städtischer Hand liegt, da wäre eine Umgestaltung/der Abriss einer neuen Mauer noch am einfachsten. Dann aber folgen die ehemalige „Othmarsquelle“ und weitere Wohnhäuser, allesamt in privater Hand. Doch auch da müssten Abrisse erfolgen. Mehrere Häuser müssten dran glauben, ist einem Papier der Stadtverwaltung zu entnehmen. Das zu erreichen? Extrem schwierig. Der Besitzer der baufälligen „Othmarsquelle“, an der aber gewerkelt wird, hat eine Anschrift im tiefen Russland. Die Stadt versucht gerade, ein Vorkaufsrecht auf das Gebäude auszuüben - der Ausgang ist offen. Und die anderen Häuser? Vielleicht enteignen, sollten Verhandlungen scheitern? Das wäre gesetzlich umstritten, politisch heikel und menschlich absolut fragwürdig.

Am Kramerplatz: Soll die „Ille“ links runter (mittlerer Ring) oder  halbrechts den Lindenring entlang?
Am Kramerplatz: Soll die „Ille“ links runter (mittlerer Ring) oder halbrechts den Lindenring entlang?
(Foto: Torsten Biel)

Dabei ist die Engstelle nicht die einzige bauliche Schwierigkeit auf der Strecke. Die Querung der Kreisverkehre am Kramerplatz und an der Roßbacher Straße wird jeweils eine knifflige, aber lösbare Aufgabe (und betrifft ja mehrere Varianten). Richtiges Kopfzerbrechen bereitet hingegen die 6,7-prozentige Steigung hoch zum Kramerplatz. Dafür bräuchte es wohl eine Art Rampe, die das Gefälle langsam ausgleicht. Die wäre dann aber nicht für Autos befahrbar. Und das auf der Bundesstraße. Hier wären in puncto Kosten und Abstimmung mit übergeordneten Behörden wohl noch viele Knoten zu durchschlagen.

Auch würde es bei allen Bauarbeiten Kollateralschäden geben: So würden etwa Parkplätze verloren gehen. Laut Kalkulation der Stadt 16 beim mittleren, elf beim kleinen und sieben beim großen Ring. Bei der Variante unterm Dom entlang wird zudem der Verlust von 28 Bäumen beschrieben. Als nicht nur kompliziert, sondern aufgrund der dortigen Bebauung gar völlig unmöglich wird von den Verantwortlichen im Rathaus übrigens die von manchem Beobachter ins Spiel gebrachte Abkürzung eingeschätzt, die vom Lindenring den Othmarsweg hinunter zum Dom führen würde.

Bei der großen und mittleren  Variante müsste  die Straßenbahn in diesen Kreisverkehr eingebunden beziehungsweise an diesem vorbeigeführt werden, um  in den Markgrafenweg einzubiegen.
Bei der großen und mittleren Variante müsste die Straßenbahn in diesen Kreisverkehr eingebunden beziehungsweise an diesem vorbeigeführt werden, um in den Markgrafenweg einzubiegen.
(Foto: Torsten Biel)

Die Nähe zum Dom: Dies ist ein Punkt, der von uns absichtlich weder bei den Vor- noch bei den Nachteilen vermerkt ist. Es gibt durchaus Menschen, die ein Entlangfahren der „Ille“ quasi direkt am Dom entlang befürworten. Der Prominenteste ist wohl Landtagsabgeordneter Daniel Sturm, zugleich Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion. Doch ein genauer Blick differenziert das Bild. So ist der Weg vom Domparkplatz bis zum (noch zu bauenden Welterbezentrum, wo dann die Dom-Eintrittskarten verkauft werden) laut Stadt sogar ein paar Schritte länger als von einer Lindenring-Haltestelle. Zudem ist die Steigung am Domempfang für Rollstuhl-Fahrer nicht zu schaffen. Kommt hinzu, dass Touristen, die etwa vom Bahnhof kommen, nur zum Dom fahren und die Innenstadt und deren Geschäfte nicht zu Gesicht bekommen - und das wird ja bereits am Konzept des Busparkplatzes kritisiert.

Ein weiteres, schwerwiegendes Argument: Aufgrund der Nähe zum Dom und der sensiblen Pufferzone des Welterbes gibt es laut Stadt eine ablehnende Stellungnahme des Denkmalschutzes zu dieser Variante.

Ausblick: Wie groß überhaupt der Personenkreis ist, der von jeder Variante profitieren würde, spielt in unserer morgigen Ausgabe eine Rolle, wenn wir die dritte und kleinste Variante ins Auge fassen. Überraschung inklusive.

In drei Teilen stellt Naumburger Tageblatt/MZ die drei Varianten vor, die in der Stadtverwaltung für den Ringschluss der Straßenbahn diskutiert werden. Die Verwaltung hofft, dass der Gemeinderat dazu im März/ April eine Entscheidung trifft, die dem mehrheitlichen Wunsch der Bürger entspricht. Dazu wäre es hilfreich, wenn sich die Naumburger äußern. Welche Strecke bevorzugen Sie und warum? Die Meinungsäußerung sollte in Form von Leserbriefen (postalisch oder besser per E-Mail) erfolgen. Die Zusendungen werden von uns veröffentlicht und Verwaltung und Rat zur Kenntnis gegeben. Zusendungen bitte an: [email protected] . Vom 16. bis 25. Februar wird die Stadt die Pläne zu den drei Varianten auch öffentlich im Rathaus auslegen: am Montag, Mittwoch und Freitag von 9 bis 12, am Dienstag zusätzlich von 13 bis 18 und am Donnerstag zusätzlich von 13 bis 16 Uhr. Zudem sollen die Pläne auf der Internetpräsenz der Stadt einzusehen sein. Auch schriftliche Stellungnahmen sind erwünscht.