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Tageblatt/MZ stellt Varianten vor Straßenbahn-Ausbau Teil 1: „Der große Ring“ über den Moritzberg

Drei Pläne stehen für die Naumburger „Ille“ in der Diskussion. Was sind Vor- und Nachteile und was kostet das Vorhaben.

Von Harald Boltze 10.02.2022, 09:34
Zu DDR-Zeiten führten hier an der „Thüringer Pforte“ Straßenbahngleise in Richtung Moritzberg: Kommen sie wieder?
Zu DDR-Zeiten führten hier an der „Thüringer Pforte“ Straßenbahngleise in Richtung Moritzberg: Kommen sie wieder? (Foto: Torsten Biel)

Naumburg - Die Strecke der Naumburger Straßenbahn soll erweitert, der Ring wieder geschlossen werden. Was jahrelang nur der ferne Traum von Enthusiasten war, wird seit etwa drei Jahren politisch ernsthaft verfolgt. Der Landkreis als Träger des öffentlichen Nahverkehrs hat sich zum Projekt bekannt, indem er eine Machbarkeitsstudie veranlasste, die drei Varianten hervorbrachte. Fördermittel in Millionenhöhe gelten im Rahmen des Strukturwandels als aussichtsreich. Und nun steht die große Frage kurz vor der Beantwortung: Kommt der Ring, und wo führt er lang? Auch anhand der Meinungen der Bürgerschaft soll der Gemeinderat im März/April eine Entscheidung treffen. Worum es im Detail überhaupt geht, lesen Sie in den kommenden Tageblatt/MZ-Ausgaben. Start heute mit dem großen Ring über den Moritzberg:

Vorteile dieser längsten Ausbaustrecke: Die Salztorkreuzung querend, dann die Weimarer Straße entlang bis zur Thüringer Pforte und schließlich den Moritzberg hinab und über den Kreisverkehr an der Roßbacher Straße: Die längste der drei Varianten mit einer zusätzlichen Strecke von rund zwei Kilometern hätte einen großen Einzugsbereich und wäre damit attraktiv für Anwohner von Seminar- und Kösener Straße, von Moritzberg und Moritzwiesen, auch für Besucher des Othmarsfriedhofs. Und vor allem: Es wäre die Rückkehr zur historischen Ringstrecke, durch die Naumburg zu DDR-Zeiten eine gewisse Berühmtheit erlangte. Ein großer Einzugskreis und die Bewahrung der Tradition - dazu noch grünes Licht in puncto Denkmalschutz - sind also als wesentliche Vorzüge zu nennen.

Nachteile und finanzielle Herausforderungen: Doch diese Vorzüge sind es auch, die diese Variante überhaupt in die engere Auswahl bringen. Denn wenn man ehrlich ist: Die Nachteile und vor allem Kosten des „Großen Rings“ sind atemberaubend. Zuvorderst: Die historischen, jetzt im Einsatz befindlichen Straßenbahnwagen wären plötzlich nutzlos. „Die Technische Aufsichtsbehörde hat uns in ihrer Stellungnahme eindeutig erklärt, dass die alten Wagen für eine Neubaustrecke am Moritzberg aufgrund des zu großen Gefälles keine Genehmigung bekämen. Eine Ausnahme sei genauso wenig möglich wie eine Umrüstung“, erklärt Martina Benzko, im Rathaus für Stadtplanung zuständig, bei einem Vor-Ort-Termin. Heißt: Die alten Wagen müssten verscherbelt und moderne angeschafft werden. Ein Posten, der mit neun Millionen Euro in der Kalkulation steht. Hinzu käme: Das gerade erst sanierte Straßenbahndepot ist für moderne Wagen völlig ungeeignet. „Die Technik der alten Wagen ist unterm Fahrzeug, dafür haben wir die Grube. Bei modernen Bahnen ist sie auf dem Dach, da bräuchte es einen Dacharbeitsstand, für den unser Depot aber nicht konzipiert ist“, sagt „Ille“-Geschäftsführer Andreas Plehn.

Rechnet man diesen ganzen Aufwand ein, bekommt man bei dieser eh schon längsten Variante kalkulierte Investitionskosten von 31,5 Millionen Euro und damit einen deutlich höheren Betrag als unterm Dom (20,3 Millionen) oder am Lindenring entlang (10,8 Millionen Euro). Weitere Kostenfaktoren: Mehrere Querungen der Bundesstraße 87 und eine technisch anspruchsvolle sowie diverse Nebenflächen und Stellplätze an der Thüringer Pforte fordernde Lösung, um den Kurvenradius hinzubekommen.

Man könnte einwenden: Die dortige Kurve und den Moritzberg hat die „Ille“ früher doch auch ganz locker geschafft. Aber gesetzliche Vorgaben, was Bremswege und Radien angeht, haben sich stark verändert, und man kann dies - zumal als öffentliche Hand - nicht einfach ignorieren.

OB Armin Müller sowie Ute Freund (r.) und Martina Benzko aus dem Bauamt zeigen bei einem Vor-Ort-Termin die Vor- und Nachteile der Varianten.
OB Armin Müller sowie Ute Freund (r.) und Martina Benzko aus dem Bauamt zeigen bei einem Vor-Ort-Termin die Vor- und Nachteile der Varianten.
(Foto: Torsten Biel)

Betriebskosten: Doch nicht nur die Investitionen sind immens, sondern auch die Betriebskosten. Dazu muss man wissen: Stadtverwaltung und Straßenbahn GmbH streben mit dem Ringschluss einen attraktiven 15-Minuten-Takt an. Aller Viertelstunde fährt dann beispielsweise eine Bahn vom Hauptbahnhof in die Innenstadt. Anschlüsse an Züge des Regional- und Fernverkehrs werden somit deutlich besser und die „Ille“ eine echte Alternative zu Auto oder Fahrrad. Um diesen Takt halten zu können, bräuchte es aber bei den beiden längeren Varianten eine zum Teil zweigleisige Strecke, auf der dann vier Wagen gleichzeitig unterwegs sind - und das ist personalaufwendig. „Wir bräuchten dann 21 statt bisher 14 Stellen“, so Andreas Plehn. Der jährliche Zuschussbedarf - und da sind der erwirtschaftete Erlös und die Förderung durch die obligatorische ÖPNV-Förderung des Landes schon abgezogen - würde jährlich, so die Kalkulation, rund 561.000 Euro betragen. Dass Landkreis oder die Stadt da in die Bresche springen, erscheint mehr als fraglich. Seit Jahren ist es vielmehr so, dass die GmbH auf einem kleinen Prozentsatz der Kosten sitzen bleibt „und wir dies nur durch viele Stunden ehrenamtliche Mehrarbeit ausgleichen“, so Plehn.

Der Naumburger Moritzberg: sieht hier recht harmlos aus, ist aber zu steil für die gesetzlichen Vorgaben für historische Straßenbahnwagen.
Der Naumburger Moritzberg: sieht hier recht harmlos aus, ist aber zu steil für die gesetzlichen Vorgaben für historische Straßenbahnwagen.
(Foto: Torsten Biel)

Sollte es jedoch so kommen, dass sich eine Mehrzahl der Bürger und des Gemeinderates für den „Großen Ring“ ausspräche und es eine langfristige finanzielle Zusage gäbe, dann, so sagt Plehn, „würden wir uns auch dieser Variante nicht verschließen“. Und die Meinung von Oberbürgermeister Armin Müller dazu? „Wir würden ein Votum des Rates für den großen Ring akzeptieren, in dem Zuge aber klarmachen, dass eine Finanzierung dieses Vorhabens in den kommenden Jahren überhaupt nicht absehbar ist.“

Fazit: Der Bau des längsten Straßenbahnrings würde in puncto Tradition gleichzeitig einen Zugewinn (alte Strecke) sowie Verlust (keine historischen Wagen mehr) bedeuten. Zugleich wäre eine Finanzierung mit sehr großen Fragezeichen behaftet und wohl in den kommenden Jahren nicht auf die Beine zu stellen.

Ausblick: Im zweiten Teil unserer Varianten-Vorstellung befassen wir uns in der morgigen Ausgabe mit dem „Mittleren Ring“ unterhalb des Doms entlang, um dann am Sonnabend die kürzeste Strecke, die Schlaufe um die Altstadt entlang des Lindenrings, unter die Lupe zu nehmen. Erst dann - um eine gewissen Neutralität beim Lesen zu gewähren - wird auch verraten, welche Variante sowohl die Stadtverwaltung als auch die Straßenbahn GmbH eindeutig favorisiert.

In drei Teilen stellt Naumburger Tageblatt/MZ die drei Varianten vor, die in der Stadtverwaltung für den Ringschluss der Straßenbahn diskutiert werden. Die Verwaltung hofft, dass der Gemeinderat dazu im März/ April eine Entscheidung trifft, die dem mehrheitlichen Wunsch der Bürger entspricht. Dazu wäre es hilfreich, wenn sich die Naumburger äußern. Welche Strecke bevorzugen Sie und warum? Die Meinungsäußerung sollte in Form von Leserbriefen (postalisch oder besser per E-Mail) erfolgen. Die Zusendungen werden von uns veröffentlicht und Verwaltung und Rat zur Kenntnis gegeben. Zusendungen bitte an: [email protected] . Vom 16. bis 25. Februar wird die Stadt die Pläne zu den drei Varianten auch öffentlich im Rathaus auslegen: am Montag, Mittwoch und Freitag von 9 bis 12, am Dienstag zusätzlich von 13 bis 18 und am Donnerstag zusätzlich von 13 bis 16 Uhr. Zudem sollen die Pläne auf der Internetpräsenz der Stadt einzusehen sein. Auch schriftliche Stellungnahmen sind erwünscht.