Aggression gegen Einsatzkräfte Wie schützen sich Feuerwehrleute gegen Gewalt und Beleidigungen?
Die Gewalt gegen Einsatzkräfte ist bundesweit auf einem Höchststand. Auch Feuerwehrleute im Saalekreis berichten von verbalen und körperlichen Angriffen. In einem Seminar lernten sie nun, wie sie im Ernstfall reagieren können.

Blösien/MZ. - „Die Kameraden aus Merseburg sind schon mit Böllern beworfen worden.“ Er selbst habe 2023 einen Vorfall an der Marina Mücheln erlebt, berichtet Björn Weber, der Vorsitzende des Kreisfeuerwehrverbandes: „Wir hatten am Geiseltalsee eine Reanimation, haben um das Leben eines Mannes gekämpft.“
Doch eine Männergruppe wollte unbedingt auf ihr Boot. Sie hätten sich dann vor ihm aufgebaut, sogar an der Jacke gepackt. Schließlich habe er die Polizei holen und den Einsatzort räumen lassen müssen.
Gewalt gegen Einsatzkräfte: Feuerwehr macht im Saalekreis Deeskalationstraining
Gewalt gegen Einsatzkräfte – im Vorjahr erreichte sie mit bundesweit 46.200 gemeldeten Fällen einen neuen Höchststand. Sie sei hier im ländlichen Raum noch nicht so schlimm wie etwa in Berlin, sagt Weber. Aber sie ist eben auch kein Monopol der Großstädte. So lud der Landesfeuerwehrverband finanziert über ein Demokratieprojekt am Samstag zum Seminar „Gewalt gegen Retter“ in die Feuerwehrtechnische Zentrale des Saalekreis nach Blösien.

Er gebe ein Deeskalationstraining für Einsatzkräfte, erläuterte Seminarleiter Max Eggeling. Der Niedersachse ist selbst Feuerwehrmann, arbeitet als Paartherapeut. „Es geht darum, dass Kameraden Ideen entwickeln, wie sie Situationen lösen können.“
Seminar "Gewalt gegen Einsatzkräfte": Im Zweifelsfall Polizei hinzuziehen
Und das möglichst ohne selbst Gewalt anzuwenden, betonte Eggeling. „Der Grat kann schmal sein zwischen: Man ist gereizt und man macht sich strafbar.“ Im Zweifelsfall müsse die Polizei hinzugezogen werden, die bei Konflikten mehr Befugnisse habe.
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Zu Beginn des Seminars ging es erstmal darum, mit den knapp zwei Dutzend Kameraden aus der Region zu besprechen, worin ihre Konflikte im Einsatzalltag bestehen. Eine Antwort: Autofahrer und Fußgänger, die Absperrungen ignorieren und dann in der Einsatzstelle stehen.
Gewalt gegen die Feuerwehr: Einsatzkräfte erfahren oft Beleidigungen
Eine Feuerwehrfrau berichtete von Beleidigungen von Passanten, wenn man ihnen im Einsatz nicht erzähle, was da gerade passiert sei. „’Dein Gesicht habe ich mir gemerkt’, hört man öfter.“ Solche Anfeindungen seien auch deshalb schwierig, weil man damit eigentlich nicht rechne, wenn man zum Einsatz fahre. „Wir kommen ja, um zu helfen.“
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Doch die Hilfe findet oft im öffentlichen Raum statt – zum Beispiel auf der Autobahn. Ein dritter Kamerad berichtete, dass sie immer wieder Beleidigungen und Stinkefinger ernteten, wenn sie langsamfahrende Gaffer aufforderten, weiterzufahren. „Insgesamt ist das Problem, dass der Alkohol- und Drogenkonsum zunimmt“, sagte der Feuerwehrmann. „Dadurch sinkt die Hemmschwelle.“
Angriffe auf Einsatzkräfte nehmen zu: Seminar für Kameraden der Feuerwehr
Eggeling versuchte nun den Kameraden Handlungsmöglichkeiten für solche Konfliktsituationen an die Hand zu geben: Zum einen ging es dabei darum, wie sie sich etwa aus einem Griff winden oder richtig stehen können, um sich im Ernstfall in den Kreis der Kameraden zurückzuziehen.
Zum anderen stand aber auch verbale Deeskalation im Fokus. Dabei, so sagte der Coach, sei es wichtig, zu verstehen, woher die Aggression komme: „Wir haben es mit Menschen zu tun, die nicht geplant haben, vor der Feuerwehr zu stehen. Wenn sie keine Handlungsalternativen sehen, werden sie vielleicht gereizt.“
Konflikte im Einsatz: Einsatzkräfte lernen Strategien zur Deeskalation
In solchen Situationen könne es helfen, wenn die Kameraden etwa auf die Alternativroute über die Parallelstraße verweisen, sagte Eggeling. Es sei auch wichtig zu verstehen, was die Leute wollen. Vielleicht wohnt die Person, die an der Absperrung steht, ja im Einsatzhaus, hat einen Schlüssel: „Das kann auch eine Ressource sein.“
Das Seminar in Blösien war das siebte, das der Landesfeuerwehrverband in diesem Jahr im Land veranstaltete. Es wird wohl auch das letzte gewesen sein, erklärte die Organisatorin Friederike Schloss. Man habe vergangene Woche die Nachricht erhalten, dass die Förderung für das Projekt nicht verlängert wird.