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Lebensgefahr am Bahnsteig Lebensgefahr am Bahnsteig: Smartphone und Kopfhörer werden zur Bedrohung

Von Michael Bertram 26.04.2016, 13:42
Vorsicht an der Bahnsteigkante: Um folgenschweren Unfällen vorzubeugen, sollten Zugreisende den markierten Sicherheitsbereich beachten.
Vorsicht an der Bahnsteigkante: Um folgenschweren Unfällen vorzubeugen, sollten Zugreisende den markierten Sicherheitsbereich beachten. M. Junghans

Merseburg - 85 Zentimeter können Leben retten. Das gilt zumindest für die Sicherheitszone an den hiesigen Bahnsteigen. In dem wie am Merseburger Bahnhof auffällig markierten Bereich direkt an der Bahnsteigkante sollte man sich besser nicht aufhalten, wenn ein Zug einfährt oder ohne Halt durch den Bahnhof donnert - denn schon Züge, die mit Tempo 80 unterwegs sind, entwickeln einen gefährlichen Sog, der zu folgenschweren Unfällen führen kann.

Erst vor wenigen Tagen hatte sich in Merseburg ein Unfall ereignet, als ein Mann von einem Güterzug erfasst und getötet wurde. Auch wenn bei diesem Zusammenstoß noch nicht klar ist, wodurch genau er ausgelöst wurde: Experten nehmen ihn zum Anlass und appellieren an Zugreisende, die Gefahren am Bahnsteig nicht zu unterschätzen. Laut Angaben der Bundespolizei, die für die Sicherheit an Bahnanlagen zuständig ist, ereigneten sich im vergangenen Jahr landesweit elf Unfälle, bei denen sechs Menschen ums Leben kamen.

Abkürzungen über die Gleise

„Auf ihren Streifen machen unsere Beamten leider immer wieder schlimme Beobachtungen“, erzählt Chris Kurpiers von der Bundespolizei. Regelmäßig würden sie sogenannte Gleisläufer dabei ertappt, wie sie über die Gleise abkürzen. „Dabei ist die nächste Unterführung nur 20 Meter weg“, sagt Kurpiers. Gezielt würden Streifen Ausschau nach solchen Leuten halten. Werden die Täter erwischt, müssen sie blechen: Für die Ordnungswidrigkeit werden 15 Euro fällig. Sollte ein Zug eine Vollbremsung einleiten müssen, handle es sich sogar

„Regelmäßig beobachten wir aber auch Reisende, die nur auf ihr Handy starren und dabei der Bahnsteigkante gefährlich nahe kommen“, erzählt Kurpiers. Auch Kopfhörer seien nicht zu empfehlen - herannahende Züge und warnende Durchsagen werden so unter Umständen nicht wahrgenommen. Erst im Februar vergangenen Jahres zeigte das der tragische Unfall des Volleyball-Bundesligaspieler Dennis Hefter vom CV Mitteldeutschland, der an einem Bahnhalt in Leuna ums Leben kam, weil er mit Kopfhörern im Ohr verbotenerweise über die Gleise abkürzte.

„Wir sind regelmäßig in Schulen unterwegs, um die Mädchen und Jungen aufzuklären“, sagt Kurpiers. Leider, so die Polizeisprecherin, seien die Beamten jedoch nur an jenen Schulen, deren Schüler in Vorfälle verwickelt waren.

In den Schulungen geben die Polizisten überlebenswichtige Hinweise, versuchen aber auch mit Videos Eindruck zu hinterlassen. „In denen erzählen zum Teil entstellte Überlebende von Strom-Unfällen von ihrem Schicksal“, erklärt die Polizeisprecherin. „Manchmal kommt man aber nur mit solchen Schockvideos weiter.“

Bahn sensibilisiert Kunden

Auch die Deutsche Bahn sensibilisiert ihre Kunde regelmäßig für die Gefahren am Bahnsteig, die selbst bei stehenden Zügen drohen. „Zwischen Zug und Bahnsteigkante ist nämlich noch ein Spalt. Hier reicht ein unachtsamer Moment im Gedränge und schon rutscht man mit dem Fuß ab oder bleibt mit dem Reisegepäck hängen“, heißt es in den Warnungen.

Gleichzeitig hat der Bahnkonzern eigene Vorkehrungen getroffen. Bereits im Jahr 2000 wurde mit Experten aus der Schweiz die Sogwirkung von Zügen analysiert. Zudem wurden alle Unfälle an Bahnsteigen innerhalb von zehn Jahren auf ihre Einflussfaktoren analysiert. Seit 1998 hat die Bahn sowohl weiße Linien als auch gelb-rote Warnschilder an allen Bahnsteigen angebracht, an denen Züge mit mehr als Tempo 80 fahren. Regelmäßige Durchsagen per Lautsprecher sind genauso verbindlich wie Höchsgeschwindigkeiten für Züge in Bahnhöfen. (mz)