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Jahrhunderte zeigen Farbe

Von Gerhard Grulke 13.06.2004, 16:55

Merseburg/MZ. - Nein, die Kinder trauten sich nicht. Kaiser Otto I. hatte sie huldvoll an seine Tafel im Schlossgarten eingeladen, wo sie möglicherweise ein deftiges Hühnerbein abbekommen hätten - nein, bei Mama schien es ihnen sicherer.

Es waren ja nicht nur Kaiser Otto, auch Kaiser Heinrich II., Thietmar von Merseburg, Tilo von Trotha und viele weitere Bischöfe aus den Zeiten der 1 000 Jahre Domkapitel Merseburg hatten sich zum Festschmaus eingefunden.

"Ein tolles Gefühl, in so einem schönen Kleid." Doreen Balldeweg HofdameSie ließen sich - neben einigen anderen Edelleuten, Ratsherren, Magistern, Bürgermeistern und vielem Volk rundherum - neben dem Gebratenen auch auch ein gutes Tröpfchen munden. Schließlich hatten sie einen langen Weg hinter sich. Und nicht jeder konnte diesen hoch zu Ross oder gar in einer Kutsche zurücklegen. Wie es zum Beispiel für die beiden Kaiser nebst Gemahlinnen vorgesehen war.

Otto I., wie in jedem Jahr mit dem Schiff über die Saale gekommen, führte den festlichen Umzug, der sich von der Neumarktbrücke durch die Innenstadt hoch zum Schloss wand, an. Landsknechte, Bauern, Blumenmädchen, Edelfräulein, Spielleute zogen in bunter Folge an den Tausenden, die die Wegstrecke säumten, vorbei. In den zehn gestalteten Zeiten-Bildern durfte natürlich auch die wohlhabende Bürgerschaft nicht fehlen, ja selbst Napoleon und eine Hexe waren im Zug vertreten. Und alle, das war unschwer zu bemerken, hatten Spaß an diesem Rollenspiele in den prächtigen Kostümen, die von den geschickten Frauen der Merseburger Königlichen Hofstube geschneidert worden waren.

"Einfach bezaubernd ist das. Ein ganz besonderes Gefühl, in einem so schönen Kleid hier herumzuwandeln", findet Doreen Balldeweg, Hotelfachfrau aus Günthersdorf, die in einem purpurnen Stofftraum dahinschritt.

Karen Hohndorf, Anja Todt und Jens Schleicher, drei junge Merseburger, fanden den diesjährigen Festumzug, der so viele Momente einer wechselvollen Stadtgeschichte zeigte, ganz große Klasse. Im nächsten Jahr möchten sie unbedingt beim Umzug mitmachen, haben sie sich fest vorgenommen.

Zum ersten Male haben sich Heide und Karl-Heinz Heck den Merseburger Schlossfestumzug angesehen. Die Hecks, die heute in Nordhorn leben, sind der goldenen Konfirmation wegen in die Domstadt gekommen. Heide Heck, die einst in der Stresemannstraße wohnte, hat bei der Stippvisite alte Bekannte und Freunde getroffen.

Den Umzug mochte sie nur loben: "Wirklich schön. Und überaus lehrreich dazu. Diese Vielseitigkeit und Detailtreue! Da haben sich die Veranstalter große Mühe gegeben. Das ist nicht überall so, wie wir aus Erfahrung sagen können", so Heide Heck. Die bei aller Begeisterung dann und wann ihre "Caroline" beruhigen musste. Immer nämlich, wenn die Schützen einen Salut abfeuerten, wollte die Möpsin sich am liebsten im Campingbeutel verkriechen