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Geiseltal-See Geiseltal-See: 15.000 Gäste im Wasserbett

Von Corinne Treder 14.12.2001, 13:40

Braunsbedra/MZ. - Wenn sie sich alle auf einmal erheben, ist es, als ob ein D-Zug an einem vorüber braust. Solchen Krach machen die ...zig tausend Schlafgäste beim Aufstehen am frühen Morgen aus dem Geiseltal-See. Dabei geht es den Gänsen wie den Menschen: Ist der Tag trüb und will nicht hell werden, kommen auch sie später aus den Federn. Doch spätestens halb neun sind alle weg.

Man muss vor allem früh aufstehen und ein bisschen Geduld mitbringen, um das Naturschauspiel zu erleben: Denn Gänse stellen sich keinen Wecker. Bereits kurz nach sieben sammelt der Interessen- und Förderverein Geiseltalsee die Neugierigen mit einem Minibus in Braunsbedra ein, mit dem es dann hinunter in das unwegsame Gelände des künftigen Geiseltal-Sees geht. Der finanziell vom Arbeitsamt geförderte Verein existiert bereits im elften Jahr und will den Leuten den See näher bringen, bevor er überhaupt ein richtiger See ist. Dass sich das lohnt, werden diejenigen wissen, die bereits eine Rundfahrt mit dem Verein durch die ehemalige Kohlengrube gemacht haben.

Dort hat in der Frühe um diese Jahreszeit noch die Nacht das Zepter in der Hand, nur ein schmaler heller Streifen am Horizont kündet vom nahenden Tag. Zu Fuß geht es dann bis zum Beobachtungsstand, den die Vereinsleute kürzlich gebaut haben. Er steht acht bis neun Meter unter der künftigen Wasseroberfläche des Sees und jetzt freilich noch im Trocknen. Kommt der Wind aus westlicher Richtung, schützt das Holzhaus sogar vor eisigem Wind. Doch heute kommt er aus Ost. Der Stand soll die heimlichen Beobachter verdecken, erklärt Reinhard Hirsch vom Verein. Denn "Gänse haben auf jeder Feder ein Auge", sagt der 57-Jährige, was soviel heißt wie: die kriegen jede Bewegung mit. Deshalb sollen die Besucher auch möglichst dunkle Kleidung tragen, um die Vögel nicht zu erschrecken.

Die Wildgänse schlafen auf dem Wasser, das hier noch so flach ist, dass sie auch drin stehen könnten. "Das hat Vorteile", sagt Reinhard Hirsch: Die Wasservögel werden nicht weggetrieben, aber der Fuchs kommt während des Schlafs auch nicht ran. Auf dem im Zwielicht silbrig glitzernden Wasser sind die Vögelschwärme nur als riesige schwarze Flecken zu erkennen. Siegfried Hanke, einer der Führer, meint: "Aber da ist schon ganz schön Bewegung drin." Je nachdem, aus welcher Richtung der Wind bläst, erheben sich die Bleß- und Saatgänse. "Immer gegen den Wind, wegen des Auftriebs", erklärt er. Dann fliegen sie in schönen Formationen zum Frühstück auf die Äcker in der Region, bevorzugt auf die abgeernteten Rübenfelder. Steigen sie alle auf einmal auf, wird der Himmel kurzzeitig schwarz. Dort sind die zu Pfeil-Spitzen aufgereihten Vögel, an deren Anfang immer ein Weibchen fliegt, gut zu beobachten. Und mit ihrem "Kai-Jäa" und "Kli-lick" kaum zu überhören. In unserer Gegend geben sie aber nur ein Zwischenspiel. Sie kommen aus dem hohen Norden, aus Fernost-Skandinavien und der arktischen Tundra. Finden sie dort nichts mehr zu fressen, fliegen sie zu uns. Ab Ende September erwarten die Vogelkundler ihre Schützlinge. Erst, wenn der Schnee auch hier so hoch ist, dass die Gänse an kein Futter mehr gelangen, verlassen sie die Gegend und damit auch ihr Wasserbett im Geiseltal Richtung Süden. "Die Rheinische Tiefebene ist dann ihre nächste Station", so Hirsch. In strengen Wintern ziehen die Saatgänse sogar bis nach Spanien.

Jetzt freilich sind noch nicht einmal alle da. Etwa 15 000 Gänse seien es zur Zeit, wobei es auf ein paar hundert sicher nicht ankommt. Im letzten Winter wurden noch 5 000 Gänse mehr gezählt. Wie das geht? Mit einer Fernrohr ähnlichen Zähl-Apparatur, die den See in Planquadrate teilt und dann die Anzahl der Tiere erfasst.

Für die etwa zweistündige Tour ist eine telefonische Anmeldung bei dem Verein unter 034633-41302 erforderlich.