Chemie im Saalekreis Dow-Schließungen: Wieso das Aus für den Cracker die Raffinerie in Leuna vor große Probleme stellt
Der US-Konzern Dow will seinen Cracker in Böhlen stilllegen. Das hat massive Folgen für den Chemiestandort Schkopau, aber auch für die TotalEnergies-Raffinerie in Leuna. Die sieht sich nun mit einem Haupt- und zwei Folgeproblemen konfrontiert.

Spergau/Schkopau/MZ. - Die für 2027 angekündigte Schließung des Crackers des US-Chemie-Konzern hat auch gravierende Folgen für die Raffinerie in Leuna, dem größten Steuerzahler in Sachsen-Anhalt. Das bestätigte Pressesprecherin Diana Heuer auf Anfrage. „Die geplante Stilllegung des Dow-Crackers in Böhlen stellt die TotalEnergies-Raffinerie vor große Herausforderungen.“
Der Grund: Der Cracker ist bisher alleiniger Abnehmer eines Nebenproduktes der Raffinerie: des Naphthas, also Rohbenzins. Das fällt bei der Zerlegung von Erdöl, das letztlich nur ein Stoffgemisch ist und in einer Raffinerie über die unterschiedlichen Siedetemperaturen in seine Bestandteile zerlegt wird, zwangsläufig an. In der Raffinerie in Leuna macht das Rohbenzin laut Heuer etwa fünf Prozent der Gesamtproduktion aus.
Die Anlage wurde bei ihrem Neubau in den 1990er Jahren so ausgelegt, dass die gesamte Naphtha-Produktion nach Böhlen geht. Eine Pipeline verbindet die Raffinerie mit dem Cracker, der wiederum für seine Versorgung noch eine zweite Ader hat. Die beginnt im Überseehafen von Rostock.
Überangebot auf dem Markt: TotalEnergies legt selbst Cracker still
Aus Sicht der Raffinerie ist die Pipeline gen Böhlen bisher aber der alleinige Absatzweg für Naphtha. Sprecherin Heuer beschreibt das drängende Problem für TotalEnergies daher so. „Nun müssen alternative Absatzmärkte und logistische Lösungen gefunden werden.“ Der französischen Energiekonzern steht dabei vor zwei großen Herausforderungen. Die erste ist, überhaupt einen Abnehmer für das Naphtha zu finden. TotalEnergies selbst hatte erst im Frühjahr angekündigt einen seiner beiden eigenen Cracker im belgischen Antwerpen ebenfalls 2027 abzuschalten, weil es Überkapazitäten auf dem Markt gibt.
Das zweite Problem, wenn das erste gelöst ist, wäre das Rohbenzin zum Kunden zu bringen. Für einen Transport auf der Straße wären riesige Tanklasterflotten notwendig. Ein Ausweg könnte der Zugverkehr sein, doch Heuer erklärt: „Die Schienenkapazität der Raffinerie ist bereits ausgelastet.“
Kann Naphtha über Pipeline nach Rostock fließen?
Christof Günther, Geschäftsführer des Betreibers des Chemiestandorts Leuna, der InfraLeuna, hatte kürzlich ins Spiel gebracht, die Nutzungsrichtung der Pipeline von Rostock nach Böhlen umzukehren, um das Naphtha aus Leuna über diese bestehenden Rohrleitungen der Dow Richtung Hafen zu transportieren.
Heuer wollte sich nicht explizit zu diesem Vorschlag äußern. Sie erklärte: „Die TotalEnergies Raffinerie Leuna arbeitet intensiv an Lösungen und versucht, die negativen Auswirkungen zu minimieren.“