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Askania-Nova „Wir müssen den Nationalpark erhalten“: Bericht aus dem mit Anhalt verbundenen Landstrich der Ukraine

Aktualisiert: 06.03.2022, 11:34
Der Direktor des Nationalparks Askania-Nova,  Viktor Schapoval (li.),  motiviert die Abteilungsleiter bei der Morgenbesprechung am 3. März.
Der Direktor des Nationalparks Askania-Nova, Viktor Schapoval (li.), motiviert die Abteilungsleiter bei der Morgenbesprechung am 3. März. (Foto: Viktor Gavrilenko)

Askania-Nova/Köthen/MZ/HS - Die Invasion russischer Streitkräfte in der Ukraine hat auch den im Süden des Landes gelegenen Naturpark Askania-Nova, der sich aus einer von Herzog Ferdinand von Anhalt-Köthen 1828 gegründeten Kolonie für Schafzucht entwickelte, erreicht. Denn Askania-Nova liegt im Vormarschgebiet der russischen Truppen zum Dnepr. Bereits am 26. und 27. Februar rollten russische Panzer an Askania-Nova vorbei über Preobrashenka und Tschaplinka nach Novaja Kachovka und Cherson am Dnepr, von wo dann schwere Kämpfe gemeldet wurden. Vorsichtshalber wurden daraufhin die Fenster der Gebäude des Nationalparks mit Sandsäcken verbarrikadiert.

Trotz einer gewissen Fluchtbewegung sind von den 268 angestellten Mitarbeitenden des Nationalparks 230 weiterhin auf ihren Arbeitsstellen. Die meisten Flüchtenden mussten zurückkehren, da der Übergang über den Dnepr bereits abgeschnitten war. Da der neue Direktor, Viktor Schapoval, erst seit dem 1. Dezember 2021 im Amt ist, hat er in dieser kritischen Situation seinen Vorgänger Viktor Gavrilenko gebeten, ihn zu unterstützen. Gavrilenko hat sofort verfügt, die bewaffnete Wache des Nationalparks zu verstärken, da bereits in Friedenszeiten die Tierherden in den Freigehegen in der Taurischen Steppe immer wieder von Wilderern angegriffen wurden.

Die örtliche Polizei ist schon in der vergangenen Woche abgezogen worden

In Askania-Nova gibt es zwar noch Strom und Internet, aber die örtliche Polizei ist schon in der vergangenen Woche abgezogen worden. Auf dem Rathaus weht am 3. März noch die ukrainische Flagge. Die Bevölkerung ist schockiert von den Kämpfen am Dnepr, deren Gefechtslärm durch die Steppe bis nach Askania-Nova drang, Menschen und Tiere erschreckte und Gebäude erzittern ließ. „Wir müssen den Nationalpark erhalten, das ist unsere Aufgabe und in dieser Situation das Einzige, was wir tun können und müssen“, sagte Viktor Gavrilenko am 2. März in einem Telefonat.

Er wandte sich inzwischen mit einem Schreiben an die Unesco. Unter ihrer blauen Flagge sollen nach Ende der Kampfhandlungen Hilfstransporte aus polnischen Zoos für die Versorgung des Nationalparks mit Tierfutter sowie für die Mitarbeitenden mit Lebensmitteln nach Askania-Nova rollen. Nach seiner Meinung ist davon auszugehen, dass Askania-Nova auch diesen Konflikt überstehen wird.

Seit 2015 war hier kein Militär vor Ort

Seit der Besetzung der Krim durch Russland im Jahr 2014 hat Askania-Nova massiv unter Besuchermangel zu leiden, weil in den Jahren zuvor täglich rund 20 Busse mit jährlich 170.000 Urlaubern von der Krim kamen. Das waren wichtige Einnahmen für den Nationalpark, der in jedem Jahr mit einem schmalen Budget von der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften aus Kiew abgesichert wurde. Dazu kamen noch Tierverkäufe. Für 2022 hat Askania-Nova noch keine Budgetmittel erhalten und eigene Einnahmen sind momentan nicht planbar.

Nachdem im Jahr 2014 vom ukrainischen Verteidigungsministerium Truppen der Nationalgarde in Askania-Nova kaserniert worden waren, hat man diese 2015 wieder abgezogen, weil der damalige Direktor des Nationalparks, Oberforstmeister Viktor Gavrilenko, dagegen beim Ministerium Sturm gelaufen war. Ausschlaggebend war dann eine Regel der Unesco, dass Militärobjekte nicht in der Nähe von besonders geschützten Objekten angelegt werden sollen.