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Weltkriegsrelikt in Aken Weltkriegsrelikt in Aken: Nebelfass kann nicht abtransportiert werden

28.11.2014, 11:05
Vertreter der Firma aus Munster packen unverrichteter Dinge wieder ein.
Vertreter der Firma aus Munster packen unverrichteter Dinge wieder ein. Nicklisch Lizenz

Aken - Bernhard Böddeker schaffte es gerade noch, ein gelassenes Gesicht zu ziehen. Innerlich aber dürfte der Vize-Landrat von Anhalt-Bitterfeld gekocht haben, als er am Freitagvormittag den im Akener Gewerbering versammelten Journalisten beichten musste, dass die Fachfirma aus Munster, die das in Aken gestrandete Nebelfass aus dem zweiten Weltkrieg zur Entsorgung abtransportierten sollte, genau dies nicht tun können würde - aufgrund mangelhafter Informationen aus der Landkreisverwaltung waren die Munsteraner nicht etwa mit einem Fahrzeug samt Druckbehälter nach Aken gekommen, sondern mit einem nahezu niedlich wirkenden Auto, das man eher einem Kleinst-Handwerker zugebilligt hätte. „Ein Pritschenwagen mit Plane“, hatte Akens Feuerwehrchef Michael Kiel angesichts des Autos gemurmelt. „Da falle ich um.“ Begleitfahrzeug gab es auch kein, wie es wohl verpflichtend notwendig gewesen wäre, es lief am Freitagmorgen alles auf einen Fehlschlag hinaus - „der Landkreis hat sich nicht mit Ruhm bekleckert“, stellte Böddeker fest.

Die Geschichte des Pannen-Fasses hat sich binnen sieben Tagen zu einer dramatischen Posse entwickelt. Erst gut eine Woche nachdem der rostige Metallbehälter bei Arbeiten aus der Elbe ans Tageslicht befördert worden war, waren sich die Behörden über eine halbwegs endgültige Zuständigkeitsdefinition einig geworden.

"Drei, vier Stunden, dann war alles erledigt"

Der Kampfmittelbeseitigungsdienst beim Technischen Polizeiamt in Magdeburg hatte am Donnerstag noch einmal deutlich gemacht, dass er sich nicht in der Pflicht sah, das Fass zu entsorgen. „Der Stoff sei nach der Untersuchung kein Kampfmittel“, gab Böddeker den Standpunkt des Amtes wieder, nicht ohne darauf zu verweisen, dass man dies in der Landkreisverwaltung anders sehe. Das Aussehen des Fasses lasse klare Rückschlüsse auf seinen Inhalt zu, nämlich Chlorsulfonsäure - ein stark ätzender Stoff, der mit Wasser zu Schwefel und Salzsäure reagiert und dabei große Rauchmengen entwickelt. Man habe, sagt Michael Kiel, auch im Rhein schon Nebelfässer gefunden, „die hat der dortige Kampfmittelbeseitigungsdienst vor Ort unschädlich gemacht - drei, vier Stunden, dann war alles erledigt.“ Warum das in Sachsen-Anhalt nicht möglich sein soll, ist Kiel unklar.

Die Akener, Bürgermeister Hansjochen Müller und sein Feuerwehrchef Kiel, haben das Heft des Handelns erst seit Donnerstag Vormittag in der Hand. In dem Moment, als das Technische Polizeiamt sich für nicht zuständig erklärte, war das Fass im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr eine Angelegenheit für die Stadt. Die dann Linie in den Ablauf brachte - und besser auch selbst mit Munster in Kontakt getreten wäre.

Immerhin: Die Feuerwehr wurde alarmiert. Am späten Donnerstag Nachmittag wurde der Stahlcontainer, in dem das Fass seit vorigen Freitagabend steckt, durch Kameraden unter Vollschutz vom Gelände der Entsorgungsfirma Achtert an einen anderen Platz im Gewerbegebiet gebracht, wo es in einem Überseecontainer zwischengelagert wurde. Das Terrain war weiträumig abgesperrt worden, Bürgermeister Müller hatte kein Risiko eingehen wollen. „Die Sache ist vollkommen falsch gelaufen“, kritisiert Müller. Der erste Fehler sei gewesen, die Stadt nicht sofort zu informieren: „Wir hätten schon frühzeitig sichern müssen.“ Verärgert war nicht nur Müller darüber hinaus über eine Fernsehmeldung, wonach man Entwarnung für Aken geben könnte, weil sich in dem Fass „nur Schrott“ befinde. „Ich würde zu gerne wissen, wer diesen Unsinn verbreitet hat.“ Man habe es nicht mit „Schrott“ zu tun, „sondern mit einem gefährlichen Stoff“.

"Das Fahren mit Vollschutz war nicht so einfach"

Bernd Felgenträger war der Fahrer des Radladers, mit dem das Fass im Schritttempo und flankiert von zwei weitern Kameraden, Guido Schröder und René Schulze, zum abseits gelegenen Lagerplatz gebracht wurde. „Das Fahren mit Vollschutz war nicht so einfach“, meinte Felgenträger. „Man hat doch ein ziemlich eingeschränktes Sichtfeld“, so der 53-Jährige, der bei RHI arbeitet und das Verständnis des Unternehmens für die Areit in der Feuerwehr unterstreicht.

Andersherum brauchen die Feuerwehrleute nun viel Verständnis für die Situation, die sich aus dem Fehlschlag vom Freitag ergeben hat. Nachdem jetzt der Container mit dem Fass länger als geplant auf dem abgelegenen Platz stehen wird, muss er länger bewacht werden. Dafür muss Kiel Freiwillige finden, die sich stundenweise das Wochenende und vielleicht weitere Tage in der Kälte um die Ohren schlagen wollen.

Unklar ist, wie lange das Ganze dauern wird. Nach letzten Informationen vom Freitagnachmittag hat man sich nun entschieden, dass die Lübecker Firme UMT sich gemeinsam mit der Werksfeuerwehr der BASF um das Fass kümmern soll. Die Werksfeuerwehr ist Mitglied im Transport-Unfall-Informations- und Hilfeleistungssystem (TUIS) der chemischen Industrie und erfahren im Umgang mit Gefahrgut aller Art. „Bis spätestens Donnerstag soll das Problem gelöst sein“, sagt Böddeker auf MZ-Nachfrage. Das Entsorgungskonzept sieht nun vor, dass das Fass unmittelbar vor Ort unschädlich gemacht wird. „Es ist unsicher, ob das rostige Ding überhaupt noch bewegt werden kann. Wir wollen keinen zweiten Fehlschlag“, sagt Böddeker. Dafür, das Fass nicht mehr zu bewegen, spricht auch ein anderer Umstand: Der Behälter ist inzwischen nicht mehr dicht und gast aus. Daher soll eine Vorrichtung gebaut werden, um im Container Unterdruck zu erzeugen und das Gas herauszusaugen. „Auf alle Fälle geht die Feuerwehr ab 100 Meter nur noch mit Vollschutz ran“, sagt Bernhard Böddeker. (mz)

Feuerwehrleute machen sich für den Einsatz zum Umlagern des Fasses bereit.
Feuerwehrleute machen sich für den Einsatz zum Umlagern des Fasses bereit.
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