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Schlichter Stein aus Schiefer

Von Raimund Leonhardt 13.11.2005, 17:32

Edderitz/MZ. - Gemeinsam mit Bürgermeister Volker Tesche streifen Margitta Deidock und Lieselotte Fuchs die graue Hülle vom Stein der Erinnerung und Mahnung. Auf den Tafeln mit den Namen der 73 im 2. Weltkrieg gefallenen Soldaten aus Edderitz stehen auch die der Väter der beiden Frauen: Paul Deidock und Paul Schumann.

Heike Kistner gehört zu denen, die nach der Zeremonie Fotos von dem Obelisken aus schwarzen Tonschiefer machen, zu dessen Füßen rote Gerbera, gelbe und weiße Chrisanthemen und Tannengrün liegen. Frau Kistner wird die Fotos an die Gutsbesitzer-Familie Poetsch schicken. Deren Söhne Dietrich und Klaus sind beide gefallen. "Einer blieb vor Moskau", erzählt Frau Kistner, die ein Blumengeschäft führt und das Grab des auf dem Edderitzer Friedhof beigesetzten Sohnes für die Familie Poetsch pflegt.

So sind die Wunden auch 60 Jahre nach dem Ende des furchtbaren Krieges noch immer zu spüren. Daran erinnerte Dr. Horst Wolter in seiner Ansprache zur Weihe des Steines. "Wehret den Anfängen" rief Wolter gerade den Jüngeren zu, die "solch schlimme Zeiten nie erleben" sollen. Der Stein, so Wolter weiter, sei ausdrücklich kein Kriegerdenkmal im alten Geiste eines falschen Heldentums, sondern "er dient der Besinnung, der Erinnerung und Trauer". Das Denkmal gemahne an die 50 bereits im 1. Weltkrieg gefallenen Edderitzer, an 13 russische Soldaten, die in der Zuckerfabrik arbeiteten und vor Hunger starben. Der Stein, sagte Wolter, gedenke ebenso der Mitbürger, die im KZ umkamen oder es überlebten. Er stehe auch für die Leiden der aus der Heimat Vertriebenen, die Haus und Hof zurück lassen mussten und in Edderitz eine neue Heimat fanden.

Zu letzteren gehört beispielsweise Barbara Schömig, die am Denkmal einen Strauß niederlegte und eine Kerze anzündete. Sie sei als Vertreterin der SPD-Ortsgruppe und aus privaten Gründen gekommen. Um den schwarzen Stein aus einem Schieferbruch im thüringischen Lehesten haben sich viele Edderitzer verdient gemacht: zahlreiche Spender, der Gemeinderat, Bürgermeister Tesche, der es entworfen hat, Horst Wolter und Dietmar Maretzky, die nach den Namen der Gefallenen forschten und noch viele weitere, hier ungenannte Bürger.

Besonders still wurde es, als Dagmar Tschernjajew und Ronald Ochmann die Namen der gefallenen 73 Soldaten verlassen. Mancher Familienname kam zwei oder sogar drei Mal vor. "Unsere toten Mitbürger mahnen zum Frieden", setzte Ochmann als Ausrufungszeichen hinter den letzten Namen auf der langen Liste der Toten.

Bürgermeister Tesche dankte in seinem Schlusswort der Bläsergruppe der Bigband des Jugendblasorchesters Gröbzig, die mit ihrem Spiel unter Leitung von Dieter Becker, die Feierstunden würdig gestaltete.