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Köthen frönt nun Bacchus

Von Ute Hartling-Lieblang 16.06.2008, 19:18

Köthen/MZ. - Wie aber kommt man auf die Idee, im flachen Köthener Land Weinforschung zu betreiben? Für Professor Dr. Thomas Kleinschmidt vom Fachbereich Angewandte Biowissenschaften und Prozesstechnik, der erst kürzlich vom Präsidenten der Hochschule Anhalt, Prof. Dr. Dieter Orzessek, in diese Funktion berufen wurde, ist das überhaupt nicht abwegig. Immerhin wurde dem aus Freyburg stammenden Wissenschaftler die Liebe zum Weinbau mit in die Wiege gegeben. Seit mehreren Generationen bewirtschaften die Kleinschmidts in der Saale-Unstrut-Region einen Weinberg. Ein bis zweimal die Woche sieht der Professor dort nach dem Rechten, damit der Portugieser oder der Müller Thurgau auch wirklich gut gedeihen. Was liegt da näher, als das Hobby zum Forschungsobjekt zu machen?

Natürlich sei dies nicht der eigentliche Grund, lässt Kleinschmidt wissen. In erster Linie habe das einst an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ansässige Aninstitut für Weinbauforschung eine neue Heimstatt gesucht. Die MLU, die Stadt Freyburg und der Weinbauverband Saale-Unstrut hatten es 2001 gemeinsam aus der Taufe gehoben, finanziell aber auf Dauer nicht über die Runden bringen können. Inzwischen sei der mit der Uni geschlossene Kooperationsvertrag ausgelaufen.

Daraufhin wurde die Hochschule Anhalt von Vertretern des Institutes, vom Weinbauverband und der Wirtschaftsförderung des Burgenlandkreises angesprochen, ob sie die begonnene Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis weiterführen könne, erklärt Kleinschmidt den offiziellen Werdegang. Fügt allerdings mit einem Augenzwinkern hinzu, dass es natürlich auch persönliche Kontakte gab, die diese Entscheidung reifen ließen.

Mit einem der Experten, die sich in Halle sehr intensiv mit Themenstellungen zum Weinbau im Freyburger Raum beschäftigt haben, dem Hallenser Dr. Klaus Epperlein, ist Prof. Kleinschmidt seit Jahren befreundet. Mag sein, dass man das jüngste Kind der Hochschule Anhalt auch bei einem guten Glas Wein endgültig aus der Taufe hob. Das In-Institut, das dem Hochschulpräsidenten direkt unterstellt ist, trägt den Namen Mitteldeutsches Institut für Weinforschung nicht von ungefähr. "Wir wollen damit etwas schaffen, was auf ganz Mitteldeutschland ausstrahlt", begründet Professor Kleinschmidt. Eine Außenstelle des Institutes wird es künftig in Freyburg geben.

Beste Voraussetzungen

Das Köthener Institut soll in erster Linie die angewandte transferorientierte Forschung für Unternehmen in den Weinanbaugebieten Saale-Unstrut, Sachsen und Thüringen absichern. Zwei Voraussetzungen lassen die Hochschule Anhalt dafür besonders geeignet erscheinen. Zum einen gibt es hier den Kompetenzschwerpunkt Life Sciences. Das Center wurde 2005 in Köthen gegründet, um die angewandte Forschung zu bündeln und Unternehmen der Region hinsichtlich der Forschung unter die Arme zu greifen. Zum anderen verfügt die Hochschule über sehr gute Erfahrungen auf dem Gebiet der Aromaforschung.

Und wie stellt man sich die Arbeit im Institut praktisch vor? Das Thema Weinbauforschung habe sich an der Hochschule wie ein Lauffeuer verbreitet, schildert der geistige Vater, - quer durch alle drei Standorte. Sogar die Dessauer Designer wollen sich einbringen. Schwerpunktmäßig gehe es aber darum, sich den Besonderheiten des Weinanbaugebietes Saale-Unstrut als nördlichstes Qualitätsanbaugebiet Europas zu widmen. Insbesondere die klimatischen Bedingungen, und vor allem der so genannte Trockenstress, sollen untersucht werden, um deren Auswirkungen auf die Qualität des Weines künftig eindämmen zu können.

Während sich Epperlein darüber hinaus mit Themen wie Erhaltung der bilogischen Vielfalt oder neuartigen Verfahren zur Qualitätsbestimmung von Trauben widmen will, wollen sich die Köthener Professoren Thomas Kleinschmidt, Markus Seewald und Jürgen Wilke unter anderem der Entwicklung eines Verfahrens zur Schnellbestimmung des Aminosäurespektrums im Traubenmost oder der Untersuchung zu Radikalfängereigenschaften in Abhängigkeit von Fermentationsverfahren widmen.

Auch die Lehre soll von dem neuen In-Institut profitieren. So könnte sich Kleinschmidt neben Vorlesungen zum Weinbau und zur Weinherstellung auch die Durchführung eines internationalen Weinseminars vorstellen. Dass sich der Professor damit keinesfalls zu weit aus dem Fenster lehnt, zeigt die elektronische Post, die ihn schon kurz nach Bekanntwerden der Gründung des Institutes erreichte. "Sogar aus Adelaide in Südaustralien kamen schon Anfragen zur Zusammenarbeit." Kontakte gebe es auch nach Moldawien, einem bedeutenden Weinanbaugebiet, und Portugal, einem der größten Korkproduzenten.

Alte Sorten bewahren

Auf eine Aufgabe aber, so spürt man im Gespräch mit Kleinschmidt, freut sich der Hobby-Kellermeister besonders. "Wir wollen genetisch wertvolle alte Sorten analysieren und sie zu diesem Zweck auf einem Weinberg beim Schloss Kromsdorf in der Nähe von Weimar anbauen", verrät er. Dazu stehen Kleinschmidt und Epperlein mit dem Thüringer Erfolgs-Winzer Prinz Georg zur Lippe in Kontakt, der erst jüngst vom Land Thüringen die Rechte für fast 50 Hektar Weinbaufläche erhielt. Als weitere wichtige Mitstreiter nennt Professor Kleinschmidt den Forschungsring des Deutschen Weinbaus und so bedeutende Winzer wie André Gussek, der das Landesweingut Kloster Pforta lange Jahre leitete, oder den Geschäftsführer der Winzervereinigung Freyburg, Dr. Gerhard Lange.