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Köthen Köthen: Bierprivileg aus Zeiten von Leopold ist nicht vergessen

Von Wladimir Kleschtschow 04.12.2011, 19:11

Köthen/MZ. - Rüdiger Rochlitzer schob das Mikrofon gleich zu Beginn lässig zur Seite. Der Ehrenjunker der Privilegierten Schützengilde zu Cöthen hat eine Stimme, die auch bei einem Kanonendonner zweifellos gut zu hören wäre. Umso weniger Mühe hatte er am Sonnabendabend im Martin-Adam-Saal an der Baggerkiete in Köthen. Hier feierten die Schützen das 20-jährige Bestehen des Vereins, und Rochlitzer gab aus diesem Anlass einen Überblick über die Geschichte des Schützenwesens in Köthen.

Neun Bürger unterschrieben nach Angaben von Bernhard Reichelt, dem heutigen Präsidenten der Privilegierten Schützengilde, im November 1991 die Urkunde zur Gründung des Köthener Schützenvereins 1723. Später wurde aus dem Verein die Privilegierte Schützengilde. Rochlitzer ging jedoch viel weiter zurück in die Geschichte. Nach seinen Angaben wurden in Cöthen bereits vor 590 Jahren erstmals Schützen erwähnt. Zu Zeiten des Fürsten Leopold blühte das Schützenwesen auf, der Fürst war auch als Schützenkönig gekürt worden. Dem Schützenverein gewährte er ein Privileg: das Ausschankrecht für ausländisches Bier. "Dieses Bier stammte aus Zerbst", so Rochlitzer. Denn Zerbst sei in der damaligen Kleinstaaterei Ausland gewesen. Rund 90 Mitglieder zählt heute die Privilegierte Schützengilde zu Cöthen. Rüdiger Rochlitzer berichtete über ein reges Vereinsleben und enge Kontakte zu befreundeten Vereinen. Sportliches Schießen und gemeinsame Ausflüge und Feier gehören dazu. Aber auch an die vielen Stunden unentgeltlicher Arbeit zum Aufbau des heutigen Vereinsobjektes Baggerkiete mit dem Heim und mehreren Schießständen erinnerte er die anwesenden Mitglieder und Vereinsgäste.

Reichelt vergaß nicht zu erwähnen, dass auch die erfolgreiche Köthener Biathletin Franziska Hildebrand eine Schützenschwester der Privilegierten Schützengilde ist. Schützenschwester und Schützenbrüder sind die üblichen Bezeichnungen für die Mitglieder des Schützenvereins.

Nur noch drei Gründungsmitglieder gehören heute der Cöthener Schützengilde an. Das sind Uwe Stößel, Hartmut-Rüdiger Schulz und Hans Trenka. "Mein Opa, der Zahnarzt Martin Stößel, war der letzte Schützenkönig in Köthen vor dem Zweiten Weltkrieg", blickte Stößel in einem Gespräch mit der MZ auf die Vergangenheit. "Zu DDR-Zeiten waren ja Waffen in Privatbesitz bis aus ganz wenige Ausnahmen verboten. Trotzdem bewahrte ich Opas Kleinkaliberwaffe auf. Die habe ich immer noch." Nach der Wende machte sich gerade Uwe Stößel stark für die Gründung eines Schützenvereins in Köthen. Dabei fand er schon bald Gleichgesinnte.

Bei der Feier am Sonnabend wurden Auszeichnungen unter anderem vom Landes- und Bundesschützenverband an verdiente Vereinsmitglieder überreicht. Gäste wie Landrat Uwe Schulze und Oberbürgermeister Kurt-Jürgen Zander gratulierten. Zum Leidwesen der Schützen erklärte Zander allerdings, Zuschüsse für den Verein seien nicht zu erwarten.

"Wir haben nie einen Zuschuss erhalten", ärgerten sich Reichelt und Rochlitzer wenig später in einem Gespräch mit der MZ. Es gebe in den letzten Jahren auch kaum Sponsorengelder. Alles komme aus eigener Kraft und dank der Unterstützung befreundeter Vereine. So übergab der Edderitzer Schützenverein als Geschenk zum Jubiläum 300 Euro an die Privilegierte Gilde. Die Edderitzer nutzen zum Training die Schießstände in der Baggerkiete wie übrigens auch die Köthener Jägerschaft, deren Jagdhornbläser bei der Jubiläumsfeier ein Ständchen präsentierten.

Jubiläum hin, Feier her - auch von ihren Sorgen mit dem Hochwasser sprachen die Köthener Schützen an diesem Abend. Ihr Vereinsobjekt Baggerkiete sei in diesem Jahr abgesoffen, so Rochlitzer. Einige Wege mussten höher aufgeschüttet werden. "Wir wissen, dass wir mit Hochwasser auch weiter leben müssen", sagte er.

Schützen lieben keine langen Reden, zumal an der Seite schon ein Buffet mit leckeren Gerichten wartete. "Wir haben Hunger", rief jemand im Saal, was die anschließenden Grußansprachen der Gäste deutlich verkürzte. Ausgeschenkt wurde an diesem Abend auch - wie zu Zeiten des Fürsten Leopold. Das Privileg lässt sich die Schützengilde nicht nehmen.