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Ein «Lesezeichen» ist immer da

Von Judith Kadow 15.11.2007, 19:18

Cösitz/MZ. - "Mittlerweile haben wir 2500 Bücher in unserer Kartei, aber es liegen noch viele in Kisten und Kartons, die noch nicht katalogisiert werden konnten", erzählte Anna Grothe, eine der vier "Lesezeichen", wie sich die Frauen nennen.

In den drei Jahren, in denen sie nun schon die Bibliothek betreiben, hat sich viel getan. An Wochenenden und Ferientagen wurde der vorhandene Bücherbestand geordnet, katalogisiert und Kategorien zugeordnet. Der Vater von Diana Brandt stellte den Mädchen einen Computer und Scanner zur Verfügung, denn ohne moderne Technik wäre das Katalogisieren zur Sisyphusarbeit geworden. Reichlich ein Jahr dauerten die Vorbereitungen, im September 2005 öffnete die Bibibliothek dann zum ersten Mal.

Jeden Donnerstag von 18 bis 19 Uhr steht die Bücherei für jedermann offen. "Hier gibt es nicht mal Benutzerausweise, und das Ausleihen ist kostenlos. Es reicht, die Adresse zu hinterlegen, und drei Wochen später müssen die Bücher wieder zurück gebracht werden", erklärte Diana Brandt. Nebenher organisieren die Frauen Lesungen, die fast ausnahmslos in der Bibliothek statt finden. Dabei sind die vorgelesenen Genre sehr unterschiedlich. Ausschnitte aus der bewegenden Geschichte von Sophie Scholl wurden bei einer Frauentagslesung vorgetragen. Wesentlich fröhlichere Geschichten bekamen die Ferienhortkinder aus Radegast zu hören.

Der Ehrgeiz der jungen Frauen beschränkt sich nicht nur darauf, den vorhandenen Bestand zu pflegen, sondern zu vergrößern. Dafür nahmen die "Lesezeichen" an vielen Projekten teil, die ihnen die eine oder andere finanzielle Unterstützung bescherte und Aufmerksamkeit brachte. "Veit Urban vom Verein Land.Leben.Kunst.Werk hat uns von Anfang an dabei geholfen, an solchen Projekten teilzunehmen", sagte Diana Brandt.

Der Einsatz lohnte sich. Das Projekt "Jugend aktiv" unterstützte die Bibliothek mit 500 Euro. Und sogar die "Aktion Mensch" wurde aufmerksam. Dort hatten sich die vier Frauen bei dem Projekt "5 000 mal 5 000" erfolgreich beworben und erhielten über zwei Jahre hinweg eine monatliche Unterstützung von 75 Euro, die im Juli dieses Jahres auslief.

Zusätzlich erhielten die vier Lesezeichen 5 000 Euro, die sie vor allem in die Einrichtung des Bibliotheksraumes investierten. Eine Sitzecke wurde eingerichtet, und auch die technischen Möglichkeiten aufgestockt. Natürlich wurde auch jede Menge neuer Bücher angeschafft.

Noch einen weiteren positiven Effekt hatte die öffentliche Aufmerksamkeit: Aus ganz Deutschland kamen Pakete und Päckchen mit Büchern und Zeitschriften. "Aus Sangerhausen schickt uns regelmäßig ein älterer Herr Bücher zu, zum Teil noch nagelneue, darunter auch richtig wertvolle Fachliteratur", schwärmte Frau Grothe. Der Herr sei Sammelbesteller und würde neben den Büchern auch immer kleine Prämien mitsenden, die er nicht gebrauchen könne. Auch diese kleinen Beigaben werden von den Frauen dankend entgegen genommen, sorgen sie doch dafür, dass der Bestand in der Bibliothek immer umfangreicher wird.

Aber auch viele Menschen aus Cösitz und der Umgebung bringen Bücher vorbei, die sie nicht mehr benötigen. "Wir haben zum Beispiel Sachbücher, Romane, Krimis, Kinder- und Jugendbücher, Horrorgeschichten. Eigentlich, alles was es gibt. Außerdem haben wir auch tolle Schülerhilfen, die unter anderem beim Abitur helfen", ergänzte Frau Grothe.

Insbesondere durch die Lesungen habe sich die Bibliothek als Ort für Begegnungen erwiesen. Alt und Jung säßen bei einem gemütlichen Kaffee beisammen. Neu zugezogene können schnell Bekanntschaften knüpfen, und sogar ein Babysitterjob konnte schon vermittelt werden. "Für die Zukunft planen wir eine Internetseite der Bibliothek", kündigte Frau Brandt an. Die Cösitzer "Lesezeichen" sind mittlerweile auf der Suche nach einer "neuen Generation" von Bibliothekarinnen. "Wir haben alle Ausbildung oder studieren, viel Zeit bleibt also nicht mehr", schilderte Diana Brandt. Bisher haben sich aber noch keine Nachfolger eingefunden. So bleibt erstmal alles, wie es ist. "Wir haben an jedem Donnerstag offen. Und mindestens eine von uns ist immer da", sagte Diana Brandt.