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Bildung und Erziehung abseits vom Frontalunterricht

Von STEFANIE GREINER 06.07.2009, 16:26

OSTERNIENBURG/MZ. - In einem Monat begrüßt die "Freie Schule Anhalt - Integrierte Gesamtschule in freier Trägerschaft" ihre neuen Fünftklässler. Damit startet die Bildungseinrichtung in ihr zweites Jahr. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich allerhand getan. Es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen.

"Ein voller Erfolg", bringt Georg Heeg, Vorsitzender des Fördervereins, die bisherigen Erfolge mit wenigen Worten auf den Punkt. Auch Schulleiterin Heike Makk ist mit dem bisher Erreichten mehr als zufrieden. "Das würde ich immer wieder so machen", betont sie. Der Weg bis zur Eröffnung der ersten integrierten Gesamtschule sei nicht immer leicht gewesen.

Einige Ungereimtheiten sind bis heute nicht behoben. "Das Problem ist nach wie vor die ungelöste Frage in Bezug auf den Schülerverkehr", erzählt Georg Heeg. Eine Einigung mit dem Öffentlichen Personennahverkehr, dessen Träger der Landkreis Anhalt-Bitterfeld ist, habe es bisher noch nicht gegeben. Der Rechtsstreit beim Verwaltungsgericht sei noch nicht entschieden. Die Fahrtkosten werden derzeit noch von den Eltern gedeckt.

Hilfreicher Landkreis

Abgesehen von dieser Unstimmigkeit, so Heeg, habe sich die Zusammenarbeit mit dem Landkreis sehr positiv entwickelt. Mobiliar aus Schulen, die geschlossen werden mussten, wird der Schule zur Verfügung gestellt. "Das ist eine massive Unterstützung", bemerkt Georg Heeg. Der Vorsitzende des Fördervereins hob hervor, dass man auch den engagierten Eltern eine Menge zu verdanken habe. "Die Schule liegt allen Beteiligten am Herzen", freut sich Heeg.

"Das Schöne ist das Individuelle. Jeder wird in seinen Schwächen gestärkt", preist Gertrud Feuerborn das Konzept der Schule. "Wir suchten eine offene, christlich orientierte Schule", erläutert sie. Die Einrichtung in Osternienburg sei diesen Ansprüchen gerecht geworden. Zuvor hatte ihr Sohn Karl - wie der Großteil der 26 Fünftklässler - die Evangelische Grundschule in Köthen besucht.

Schulleiterin Heike Makk hebt hervor, dass die Schule trotz ihrer christlichen Orientierung offen für alle Schüler sei. Die ethisch-moralische Verantwortung gegenüber sich selbst und anderen, so steht es im pädagogischen Konzept der Einrichtung, müsse ins Bewusstsein gerückt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der reformpädagogische Ansatz. "Darunter verstehen wir eine Schule, die sich am Vorgang des 'natürlichen' Lernens orientiert", heißt es im Konzept. Starke und schwache Schüler werden individuell gefördert.

"Es hat sich bewährt", resümiert Heike Makk. Von großer Bedeutung sei zudem die freie Entfaltungsmöglichkeit der Schüler. Lernen müsse Spaß machen. Praxisbezug spiele dabei eine entscheidende Rolle. Bei verschiedenen Projektwochen lernten die Fünftklässler nicht nur allerhand Wissenswertes, sondern erwarben gleichzeitig wichtige Qualifikationen im Hinblick auf das selbständige Arbeiten.

Es gab unter anderem eine Projektwoche rund um die heimische Vogelwelt. Kurz vor den Sommerferien beschäftigten sich die Schüler auf vielfältige Weise mit dem Thema Fußball. Englisches Fachvokabular und die Regeln des Fairplay wurden vermittelt. Die Fünftklässler berechneten den Flächeninhalt eines Fußballfeldes und lernten, was bei Verletzungen zu tun ist. "Gruppenarbeit ist auch ein ganz wichtiger Teil", erklärt Heike Makk. Dies falle den Schülern zwar nicht immer leicht, sei aber bedeutsam, um sie auf die spätere Berufswelt vorzubereiten. Für Praxisbezug, Gruppenarbeit und das eigenständige Erarbeiten von Sachverhalten gibt es genügend Freiräume. Der tägliche Schulunterricht findet in drei Blöcken zu je 90 Minuten statt. "Wenn das nur Frontalunterricht wäre, würde das nicht gehen", verdeutlicht Heike Makk.

Lehrer in einer anderen Rolle

Die so genannte "Öffnung des Unterrichts" nimmt einen wichtigen Stellenwert ein. Die Schüler kommen mit der Unterrichtsgestaltung sehr gut klar, wie Klassenlehrerin Grit Schöne erzählt. Der Vorteil der freien Schulform sei, dass man starke und schwache Schüler gleichermaßen fördern könne. "Die Rolle des Lehrers ist dabei eine andere", fügt Heike Makk hinzu und erläutert, dass der Lehrer ein Beobachter sei, der auf die Belange der Schüler eingehe.

Mit einem Handzeichen wird der Unterricht eröffnet. Zwischen den einzelnen Blöcken gibt es eine halbe Stunde Essen- und Aktivpause. Eine Schulklingel gibt es nicht. Zu Beginn und am Ende des Schuljahres läutet die Schulleiterin mit einer Glocke, die sie von Hans-Jürgen Twieg, einst Leiter des Gymnasiums Rüsternbreite, geschenkt gekommen hatte. Solche Rituale sind charakteristisch für die Freie Schule Anhalt. Grit Schöne beschreibt das Ambiente an der Schule als "familiäre Atmosphäre". Auf das eigenständige Arbeiten ihrer Schützlinge ist die Lehrerin sehr stolz. "Die wissen genau, wo ihren Stärken und Schwächen liegen", betont sie. Das habe sich auch anhand der Briefe gezeigt, die die Schüler an sich selbst schreiben sollten. Einer Leistungsbeurteilung entsprechend sollten sie darin auf ihr Lern- und Sozialverhalten eingehen. Auch in den Eltern-Lehrer-Kind-Gesprächen wird viel Wert auf die Sichtweise der Mädchen und Jungen gelegt. "Das Ziel ist im Grunde, sie zu stärken", erklärt Grit Schöne.

Konzept hat sich bewährt

Das Konzept der Freien Schule Anhalt habe sich in ihren Augen bewährt. "Es war die richtige Entscheidung", verdeutlicht die Klassenlehrerin. Der Weg sei anstrengend gewesen, habe sich aber gelohnt. Am 7. August werden die neuen Fünftklässler eingeschult. Klassenlehrerin wird Anke Stade. "Wir sind glücklich und stolz und bedanken uns bei all denen, die uns geholfen haben", blickt Heike Makk auf die vergangenen Monate zurück.

In den ersten drei Jahren muss sich die Schule selbst finanzieren. Wenn alles nach Plan läuft, erhält die Einrichtung in zwei Jahren eine finanzielle Unterstützung. Das derzeitige monatliche Schulgeld in Höhe von 120 Euro bleibt jedoch erhalten.