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Applaus beim Herbst-Nocturne Applaus beim Herbst-Nocturne: Voller Saal in der Kreismusikschule J. S. Bach

Von Matthias Bartl 08.11.2015, 21:08
Zu „We are the World“ vereinten sich viele der Teilnehmer zum gemeinsamen Gesang auf der Bühne.
Zu „We are the World“ vereinten sich viele der Teilnehmer zum gemeinsamen Gesang auf der Bühne. Heiko Rebsch Lizenz

Köthen - Manfred Apitz hatte sich am Morgen des großen Tages diebisch gefreut: Man werde beim Nocturne „zahllose Leute erleben, die noch nie auf der Bühne gestanden haben“. Wenigstens nicht beim Nocturne, das der Multiinstrumentalmusiker Manfred Apitz zweimal im Jahr unter Leiden und mit Leidenschaft sich ausdenkt, probt und aufführt. Wobei Leiden und Leidenschaft durchaus auch diejenigen einschließt, die sich in die musikalische Umarmung des Perfektionisten Apitz begeben. Dafür geeignet ist mit Sicherheit nicht jeder, denn der Chef im Ring ist streng, bei Proben legendär ehrlich und mit dem Temperament eines Schnellkochtopfs ausgestattet. Und wird genau deswegen geliebt - bis zum Zähneknirschen. Apitz sei, so hat mal jemand beschrieben, der es wissen muss, „ein charmanter Wilder“.

Das Herbst-Nocturne jedenfalls ist dank Apitz und dank treuer und verständnisvoller Mitstreiter ein besonderer Erfolg geworden. Besonders auch deswegen, weil der Musiker einen Spagat versucht hat, um das Jubiläum „Köthen900“ mit dem Nocturne zu einem Komplex zu vereinen, der aus viel Musik und wenig Tanz einerseits bestand und andererseits aus zum Thema passenden Bildern und Texten, die per Beamer an die Rückwand der Bühne geworfen wurden. Der Plan ist insgesamt gesehen sehr gut aufgegangen, auch wenn manche Verbindung von der Musik zu Köthen ein wenig weit hergeholt erschien.

Allerdings war der Nocturne-Meister in der Vorbereitung auch weitgehend von den Köthenern im Stich gelassen worden - Manfred Apitz (der übrigens acht der dargebotenen Titel selbst komponierte), hatte wiederholt um Mitarbeit der Bevölkerung gebeten, um herauszubekommen, „was den Köthenern wirklich wichtig ist“, aber letzten Endes kam nur die Idee von außerhalb, die Eisenbahnhistorie in das Programm einzuarbeiten.

Was im übrigen mit dem bluesigen „Midnight Special“ auch dank der Stimme von Michael Hegenbart und ebenso dank der technischen Mitwirkung des Eisenbahn-Liebhabers Steffen Dörre, der sich nicht nur in die Jacke eines Reichsbahnsekretärs steckte, sondern auch mit Hilfe eines modifizierten Schrankenläutwerkes den Takt zum Blues schlug. Man kam sich tatsächlich vor wie zu alten Zeiten am Bahnübergang in der Wülknitzer Straße.

Was brachten Apitz, Schlossconsortium und Mit-Musiker noch an Köthen in das Nocturne ein? Der Chor der Freien Schule (mit erstaunlich vielen Jungen) sang mit „O Täler weit, o Höhen“ ein bewegendes Eichendorff/Mendelssohn- Stück, „da draußen, stets betrogen, saust die geschäft’ge Welt“, ein Stück von Scarlattis erhielt den Titel „Martinshorn“ und wurde zur Verbeugung vor den ebenfalls Jubiläum feiernden Feuerwehrleuten.

An den Malzirkel wurde mit „Meister Klecksel“ erinnert und mit Mussorgskis „Tor in Kiew“ - für das man allerdings keine bildnerische Entsprechung gefunden hatte und daher für den Beamer kühn auf ein Tor in Moskau, gezeichnet von Thomas Blasczyk, zurückgriff; eine ganz kleine ukrainisch-russischer Friedenstaube auf einer deutschen Bühne.

Der Blick gen Osten, mit dem Köthen einige erfreuliche, einige schmerzliche Erinnerungsfäden verbinden, wurde vor allem durch zehn deutsch-russische Frauen geschärft, die nach Manuela Michels Auftritt mit Nietzsches düster-traurig-leerem und somit gut in den russischen Winter passenden „Vereinsamt“ (bitte nicht als „Vereins-Amt“ lesen!) die Heiterkeit sonnig-birkendurchleuchteter Wälder herbeisangen - natürlich auch mit „Kalinka“, das selbst nach dem Ende der deutsch-sowjetischen Freundschaft zum ostdeutschen Liedgut gehört und für das es jede Menge Beifall gab.

Ohnehin war das Publikum, der Saal war wie immer beim Nocturne brechend voll, beifallsfreudig gestimmt und drehte auch an Stellen den Applaushahn weit auf, wo nicht jeder Ton punktgenau saß, was aber kaum zu merken war.

Im Gegenteil: Gitarristen wie Bernd Vilbrandt und Frank Ackermann, Sänger wie Helmut Dawal (auch Schlagzeug), Philipp Grundmann (vor allem Saxophon) und Tim Gerngroß (überwiegend Violine) zeigten sich auf der Höhe ihrer Aufgaben, Annett Schulze-Hegenbarth, das Trio Foggy Brew mit Sophie Stahl, Karl Just und Florian Lehmann, die Tänzerinnen der Kinderwelt und alle anderen, die für den Guten Ton sorgten, hätten zum Finale nicht nur eine Blume, sondern ganze Buketts verdient.

Wie auch Brigitte Take, die nicht als CDU-Landtagsabgeordnete auf einem Ehrenplatz saß, sondern durchs Programm führte - freilich nicht ohne dass Manfred Apitz immer mal eingegriffen hätte. Dafür ist nun mal das Nocturne zu sehr sein Baby, als dass er es von anderen pudern und wickeln ließe... (mz)

Der Chor der Freien Schule sang mit „O Täler weit, o Höhen“ ein bewegendes Eichendorff/Mendelssohn- Stück.
Der Chor der Freien Schule sang mit „O Täler weit, o Höhen“ ein bewegendes Eichendorff/Mendelssohn- Stück.
Heiko Rebsch Lizenz
Alle, die für den Guten Ton sorgten, hätten zum Finale nicht nur eine Blume, sondern ganze Buketts verdient.
Alle, die für den Guten Ton sorgten, hätten zum Finale nicht nur eine Blume, sondern ganze Buketts verdient.
Heiko Rebsch Lizenz