Max Lingner Grundschule Max Lingner Grundschule: Namensgeber wird von Schülern gewürdigt

Jessen - Wenn Jessener Mädchen und Jungen von ihrer „Maxe“ erzählen, dann weiß jeder in der Stadt, dass sie die Grundschule meinen. Seit dem Herbst 1974 haben alle Schülergenerationen diese Abkürzung so weitergetragen – wohlwissend, dass dieser „Maxe“ – Max Lingner (1888 bis 1959) – ein berühmter Maler war. Er kam oft nach Jessen, um seine Eltern zu besuchen, die einige Jahre lang hier gelebt haben. Am 16. November 1974, dem Vorabend seines 86. Geburtstages, erhielt die Schule seinen Namen. Am Donnerstag wäre Lingner demnach 128 Jahre alt geworden.
Dieser Tag gibt den vierten Klassen alljährlich Anlass, den Namensgeber in besonderer Weise zu würdigen. Als Geburtstagsgäste sind diesmal der Maler und Grafiker Gerhard Kitzig und Thomas Flierl, Vorsitzender der Max-Lingner-Stiftung, aus Berlin nach Jessen gekommen. Der heute 74-jährige Kitzig hat Max Lingner seinerzeit als kleiner Junge kennengelernt.
Ja, er ist sogar ein Verwandter, weswegen ihn die Kinder jedes Mal sehr neugierig begrüßen. Trotz seines flauschigen weißgrauen Bartes wollen einige Steppkes eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Foto von Lingner erkennen! Auf jeden Fall aber hat Kitzig die künstlerischen Gene geerbt und ist darüber hinaus ebenso wie Flierl bemüht, das Vermächtnis von Max Lingner weiterzugeben.
Das trifft auch auf Gabriele Wolf zu: „Ich freue mich schon Wochen vorher darauf, mit den Kindern wieder ein Stück mehr von ,Maxe‘ zu entdecken“, sagt die pensionierte Jessener Kunstlehrerin – und sie wird von den Schülern regelrecht überrascht: „So viele Fragen habe ich in den Jahren zuvor nicht gehört“, lobt sie die Aufmerksamkeit während der Projektstunde.
Mit besonderem Interesse widmen sich die Mädchen und Jungen dem wohl bekanntesten Lingner-Bild „Mademoiselle Yvonne“ (1939). Es zeigt eine Frau mit dunklen Haaren und roten Lippen. Sie läuft auf den Betrachter zu, ein figurbetontes Kleid und Handschuhe tragend. Dabei wirkt sie ebenso nachdenklich wie energiegeladen: „Das ist eine sehr hübsche Frau“, stellt Jonas fest, „Sicher eine reiche Frau?“, fragen andere Kinder.
Gabriele Wolf schüttelt den Kopf: „Es ist eine Widerstandskämpferin und Lingner wusste noch nicht einmal ihren Namen, als er sie in Frankreich malte. Später hat er erfahren, dass sie im KZ ermordet wurde.“ Jetzt ist das Interesse der Kinder erst recht geweckt: Was ist eine Widerstandskämpferin? Warum lebte der Maler in Frankreich, und was ist ein KZ? Gabriele Wolf gibt einfache Antworten, die zunächst erklären, was Krieg bedeutet, und welcher Gefahr Andersdenkende damals ausgeliefert waren.
Die Kinder sind betroffen, doch einige wissen, dass auch die Prettiner Lichtenburg ein Konzentrationslager gewesen ist. Letztendlich sind die Schüler froh, dass Lingner „Mademoiselle Yvonne“ so und nicht anders gemalt hat: nicht unglücklich oder traurig, sondern stolz, mutig, mit schöner Kleidung und erhobenem Kopf. Was den Kindern noch auffällt: Der Künstler hat auch auf anderen Bildern die Menschen in sehr liebenswerter, ja anmutiger Haltung gemalt, oft in Posen, die Kinder verstehen: einander festhaltend, sich umarmend, tanzend. Nur die Mode und das Ambiente wechseln, je nachdem, wann die Bilder gemalt wurden.
Tatsächlich hat sich Lingner trotz eigener Inhaftierung die Fähigkeit bewahrt, Pinsel oder Bleistift mit schier französischer Leichtigkeit zu führen. Das wiederum hat der DDR-Führung nicht gepasst. Doch um das zu verstehen, bedarf es noch weiterer Unterrichtsstunden in Kunst und Geschichte. Einige der Viertklässler wollen jedoch nicht so lange warten: „Wir fragen einfach mal Oma und Opa!“ (mz)