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Schließung in Siersleben Schließung in Siersleben: Frischemarkt von Stromkosten aufgefressen

Von burkhard zemlin 25.09.2013, 18:45
Abschiedsstimmung im Frischemarkt Siersleben. Hertha Meißner, Margit Gsell und Wolfgang Schuchert (v.l.) bedauern ebenso wie die Händlerin Petra Pazdyka , dass das Geschäft ab 1. Oktober geschlossen sein wird.
Abschiedsstimmung im Frischemarkt Siersleben. Hertha Meißner, Margit Gsell und Wolfgang Schuchert (v.l.) bedauern ebenso wie die Händlerin Petra Pazdyka , dass das Geschäft ab 1. Oktober geschlossen sein wird. jürgen lukaschek Lizenz

siersleben/MZ - Hertha Meißner aus Siersleben ist traurig. Die 85-Jährige kann es noch gar nicht fassen, dass der beliebte „Frischemarkt“ ab 1. Oktober nicht mehr geöffnet sein wird. Am Montag werden Petra Pazdyka und ihre langjährige Mitarbeiterin Christiane Friebe zum letzten Mal die Wünsche ihrer Kunden erfüllen, sich von ihnen verabschieden und danke sagen. Danach ist Feierabend - nach fast 23 Jahren.

Nicht allein Hertha Meißner ist darüber bekümmert. „Hier ist doch nun gar nichts mehr“, sagt Hanna Krebs (84) und Adolf Knecht (73) aus Hübitz reagiert richtig zornig. „Vier Ortschaften ohne Einkaufsmöglichkeit, das kann doch nicht wahr sein!“, empört er sich.

Petra Pazdyka fühlt mit ihren Kunden, die sie alle mit Namen kennt. Sie hätte das Geschäft ja gern weitergeführt. Doch es ging beim besten Willen nicht mehr. Die Energiekosten waren für sie einfach nicht mehr aufzubringen. „Die fressen mich auf“, sagt sie. 917 Euro Stromkosten im Monat sind es mittlerweile, die wollen erst einmal erarbeitet werden. Als die Industriekauffrau Petra Pazdyka vor 23 Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit wagte, waren es zwischen 200 und 300 D-Mark. „Da konnten wir uns nicht beklagen“, meint sie rückblickend. Doch das ist lange her. Damals hatte Siersleben noch eine Sekundarschule, dazu eine Außenstelle der Sparkasse und mehrere Läden.

Petra Pazdyka erinnert sich gut daran, wie ihr Geschäft bereits das Ende der Sekundarschule zu spüren bekam. Die Schließung der Sparkasse und der Schlecker-Filiale brachten danach noch tiefere Einschnitte, sprich weniger Kunden. Trotzdem: Dass es heute für ein kleines Geschäft nicht mehr möglich sein soll, die anfallenden Kosten zu erarbeiten, ist nicht normal, findet Petra Pazdyka, die schon mal bei der Agentur für Arbeit vorgesprochen hat, um sich neu zu orientieren. Man sagte ihr, dass sie sich bei einem Vermittler melden solle. „Wissen Sie“, hat sie geantwortet, „dafür habe ich jetzt noch keine Zeit.“

Wenn es soweit ist, wird sich die 58-Jährige schon um eine neue Aufgabe bemühen. Dabei ist ihr klar, dass sie wohl kaum noch einmal so einen Start hinlegen kann, wie er ihr vor 23 Jahren in Siersleben gelungen ist, als sie ein Fischgeschäft übernahm, von dem Hertha Meißner heute noch schwärmt.

Es folgten zwei Lebensmittelläden in Thondorf und Helbra, wobei der Thondorfer der erste im Landkreis war, in dem eine Postagentur öffnete. Petra Pazdyka denkt gern daran zurück und wird auch nie den Tag vergessen, an dem Kunden sie mit dem MZ-Blumenstrauß der Woche überraschten.