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Zu viel der Ehre? Zu viel der Ehre?: Warum sich der Stadtrat in Halle mit Genscher so schwer tut

Von Detlef Färber 16.12.2016, 20:08
Bislang einziges Denkmal: Rossen Andreevs Genscher-Medaille
Bislang einziges Denkmal: Rossen Andreevs Genscher-Medaille Privat

Halle (Saale) - „Keine Dringlichkeit“, so lautete diese Woche die Botschaft des Stadtrats an die Hallenser - bei der Frage, wie, wann und was Halle denn nun zum dauerhaften Gedenken an den „ewigen Außenminister“ Hans-Dietrich Genscher zu tun gedenkt. Doch nun ist klar: Es steckt doch mehr dahinter.

Christian Feigl, Stadtrat der Grünen, der den Antrag zur Vertagung der anstehenden Entscheidungen am Mittwoch erfolgreich gestellt hatte, hat nun gegenüber der MZ die Gründe genannt. Und aus denen wird ersichtlich, wie tief gespalten der Stadtrat in dieser Frage ist. Und, dass aus einer von zwei geplanten Ehrungen vielleicht nichts wird.

Denn tatsächlich gibt es über das Ergebnis der monatelangen Arbeit einer fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe des Stadtrats nun unterschiedliche Interpretationen. Arbeitsgruppen-Chef Hans-Dieter Wöllenweber (FDP) sieht den Vorschlag, den Bahnhofsvorplatz in Hans-Dietrich-Genscher-Platz umzubenennen, als das Ergebnis an.

Nur eine Ehrung für Genscher

Doch Feigl, der ebenfalls in der Arbeitsgruppe mitgearbeitet hat, meint, man sei übereingekommen, nur eine Ehrung für Genscher zu unterstützen. Also entweder die Umbenennung des Herdergymnasiums, Genschers einstiger Schule, oder des Bahnhofsvorplatzes, der ja direkt an jener Delitzscher Straße liegt, die in Reideburg dem Geburtsort Genschers, endet.

Zwei mal Ehrung? „Ohne uns!“ Feigl fühlt sich in seiner Sicht durch das Abstimmungsverhalten all jener Stadträte bestätigt, die dem Thema Genscher am Mittwoch per Handzeichen mangelnde Dringlichkeit bescheinigten. Und Feigl setzt noch einen drauf: Auch das ganze Verfahren habe ihm und anderen nicht gepasst: „Wir fühlen uns überfahren von öffentlicher Stimmungsmache“, so der Stadtrat, dem ein Vorpreschen von Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) wieder übel aufgestoßen war.

MZ-Leser für die Umbennung des Bahnhofvorplatzes

Wiegand hatte sich das Votum der MZ-Leser zugunsten einer Umbenennung des Bahnhofsplatzes in Genscher-Platz zu eigen gemacht, und es als Antrag eingebracht.

Doch nicht nur das Verfahren entzweit den Rat. Feigl kratzt auch am Denkmal Genscher, das es in Halle ja bislang nur in Form einer Medaille gibt, die der aus Bulgarien stammende Künstler und „Burg“-Lehrer Rossen Andreev als private Initiative - und erst in einem einzigen Exemplar - geschaffen und in Bronze gegossen hat.

Mit zwei Ehrungen, nämlich der Umbenennung der Schule und des Platzes, werde Genscher „übermäßig geehrt“. Schließlich seien seine Verdienste um Halle geringer einzuschätzen als die von anderen Ehrenbürgern wie Peter Sodann (einstiger Theaterintendant und „Tatort“-TV-Kommissar) oder Paul Raabe, des einstigen Direktors der Franckeschen Stiftungen, und von Marianne Witte, der Retterin des Stadtgottesackers - so meint der Grünen-Stadtrat Christian Feigl.

Genscher- statt Herder-Gymnasium

Und auch die Umbenennung der Schule passt ihm nicht. Denn auch hier sieht er sich als Stadtrat in einer Art Zwang, weil die Schulversammlung ja schon zugestimmt habe. Aber die „Ab-Benennung Herders in einer Stadt der Aufklärung“ wie Halle - da habe er und nicht nur er „Bauchschmerzen.“

Inzwischen hat sich auch Oberbürgermeister Wiegand erstmals geäußert, nachdem der Stadtrat die Genscher-Angelegenheit am Mittwoch kurzerhand ausgebremst hatte: „Hans-Dietrich Genscher war ein großer Hallenser, Ehrenbürger und Botschafter unserer Stadt“, so heißt es aus dem Rathaus-Chefbüro. Und: „Angesichts seiner außerordentlichen Verdienste sollte es unser gemeinsames Ziel sein, ihn anlässlich seines 90. Geburtstages im März 2017 öffentlich mit einer Straßen- oder Platzbenennung zu ehren.“ (mz)