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Stefan Voß im Interview  Stefan Voß im Interview : "Die Zuversicht fehlt"

01.01.2014, 17:42
Halles Stadtmarketing-Chef Stefan Voß.
Halles Stadtmarketing-Chef Stefan Voß. Lutz Winkler Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Was macht eigentlich Stefan Voß? Um den Chef des halleschen Stadtmarketings (SMG) ist es still geworden, seit Bernd Wiegand Oberbürgermeister ist. Dabei stand vor einem Jahr sogar Voß’ Vertragsverlängerung kurzzeitig auf der Kippe. MZ-Redakteur Peter Godazgar sprach mit Halles oberstem Marketingmann.

Ende vergangenen Jahres standen Sie in der Kritik, weil sie die Freundin von Wirtschaftsdezernent Wolfram Neumann ins Stadtmarketing geholt hatten, kurz danach folgten private Turbulenzen, vom „Rosenkrieg“ war die Rede. Wie geht es Ihnen heute?

Voß: Es geht mir gut. Es waren damals wirklich bewegende Wochen. Doch die neue Stelle im touristischen Vertrieb leistet gute Arbeit, der private „Baby-Blues“ ist vorüber und die Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister ist sachlich und strategisch.

Insofern ist es Ihnen vielleicht ganz Recht, dass es stiller geworden ist ums Stadtmarketing?

Voß: (schmunzelt) Das galt nur für die turbulenten Monate und liegt heute an Ihnen, worüber Sie berichten.

Der neue Oberbürgermeister Bernd Wiegand hat gleich nach seiner Wahl gefordert, das Stadtmarketing dürfe sich nicht mehr um die Organisation von Stadtfesten, sondern müsse sich stärker um das Tourismusmarketing kümmern.

Voß: Wir haben Stadtfeste wie Laternenfest oder Weihnachtsmarkt immer schon „nur“ vermarktet und mit Ideen unterstützt, nie organisiert. Aber es stimmt, dass der Oberbürgermeister den Fokus noch stärker auf Tourismusmarketing legt. Er hat dies allerdings niemandem aufgezwungen, sondern die Gesellschafter und mich einbezogen. Es gibt hierzu auch große Übereinstimmung. Wiegands Anliegen ist, dass die Stadtverwaltung mehr Aufgaben des Binnenmarketings übernimmt. Und da das Stadtmarketing unter Berücksichtigung von institutionellen und projektgebundenen Zuschüssen sowie Eigenerlösen zu 60 Prozent von der Stadt finanziert wird, müssen auch die Handschrift der Stadt und des Oberbürgermeisters deutlich werden.

Was haben Sie denn seitdem konkret unternommen, um Halle bekannter zu machen und mehr Touristen zu werben?

Voß: Wir haben unter schwierigen Rahmenbedingungen (kaltes Frühjahr, Ausfall der Händelfestspiele und der Saisoneröffnung auf der Saale) und zum Teil dramatischen Einbrüchen bei den Übernachtungsgästen (minus 20,9 Prozent allein im Juni) durch eine bundesweite Sympathie-Kampagne mit der Investitions- und Marketing GmbH Sachsen-Anhalt, den Ausbau unserer Vertriebsnetze sowie verstärkte Ansprache von Reiseveranstaltern von Januar bis August schon wieder ein Übernachtungsplus von 1,4 Prozent gegenüber dem Rekordvorjahr.

Die misslungene Hansetag-Bewerbung im Juni gehört gewiss nicht zu den Erfolgen. Es gab eine feste Absprache, dass Halle den Hansetag 2019 ausrichten darf. Dann wurden Sie quasi in letzter Sekunde vom neuen OB zurückgepfiffen, weil der gegen die Bewerbung war.

Voß: Die gelungene Bewerbung um den Internationalen Hansetag 2019 meinen Sie. Wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen - wie zuletzt auch in Goslar oder Lünen - zwischenzeitlich ändern, so liegt dies nicht in unserer Macht. Innerhalb der Hanse hat sich Halle trotzdem gut profiliert.

Einen weiteren Schwerpunkt sollen Sie auf die Wissenschaft legen.

Voß: Dafür setzen wir uns ein, seit die Uni Halle im Jahr 2009 als Gesellschafterin der SMG beigetreten ist. Studenten sind der beste Motor für unsere Stadt: als Neubürger, Multiplikatoren und Zugpferde für Familien und Bekannte, aber auch als potenzielle künftige Unternehmensgründer.

Da passte die Spardebatte ja prima rein.

Voß: Glücklicherweise gibt es viele Akteure, wie etwa zuletzt die CDU-Mittelstandsvereinigung, die sich für den Erhalt des Zahnklinikums einsetzte, die den Sparplänen etwas entgegensetzen.

Man würde sich seitens des Stadtmarketings noch mehr neue Ideen wünschen - über die immer gleichen, altbekannten Führungen auf die Hausmannstürme und durch die Altstadt hinaus.

Voß: Einspruch. Wir haben ständig neue, pfiffige thematische Führungen in petto wie „Wahrheit oder Lüge“, die neue „Stadtrallye“, die Fackelwanderung um die Burg Giebichenstein, Georg-Friedrich Händel „uff Hallsch“, die „Hallesche Schlemmertour, bis die Schlackwurst knackt“, die „Zoo-Entdeckertour“, „Hinter den Kulissen der Oper“ oder demnächst das Landgericht Halle. Darüber hinaus gibt es seit einigen Monaten web-basiert den Audioguide Halle mit QR-Codes (audioguide.hallesaale.com). Und unser Produkt „Verliebt in Halle“ als Classic- oder Premium-Variante ist auf Wochen ausgebucht.

Thema Übernachtungen: Da müssen Sie sich immer anhören: Anderswo sind die Zahlen höher.

Voß: In den zehn Jahren seit Bestehen des Stadtmarketing Halle ist die Zahl der Übernachtungen von 246 000 auf 348 000 um mehr als 100 000 Übernachtungen (41 Prozent) gestiegen. Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, aber Halle verfügt mit 2 350 Beherbergungsbetten auch nur über die Hälfte der Betten von Magdeburg. Addiert man das Ramada, Globana Airport Hotel, Mercure, Konsul Hotel und Arc Hotel Dieskau hinzu, deren Gäste natürlich in erster Linie Halle besuchen wollen (Ergänzung), käme der Raum Halle auf 556 000 Übernachtungen - mehr als Magdeburg. Im Vorjahr hatten wir einen Rekordzuwachs an Übernachtungen um neun Prozent - der zweitbeste Wert nach dem Harz.

Sie plädieren schon lange für ein großes Kongresszentrum inklusive Hotel? Wäre das die Rettung?

Voß: Es würde sicher helfen. Magdeburg hat die doppelte Zahl an Betten und punktet auch mit dem modernen Kongresszentrum im Maritim. Unsere Kongresshalle, die Händel-Halle, verfügt im Umkreis von einem Kilometer über kein Hotel mit mehr als 100 Betten, während alle Vergleichsstädte über mindestens 500 Betten in großen Hotels im Umkreis von einem Kilometer verfügen. Wir haben in Halle 2 350 Betten, verteilt auf zig Hotels, und damit keine Chance auf einen großen Kongress. Halle wird von Veranstaltungsagenturen und Kongressveranstaltern deshalb nicht mal als potenzieller Austragungsort geführt.

Ist das Kongress-Potenzial denn so groß?

Voß: Aber ja! Die Standorte rundherum haben doch alle aufgerüstet. Nehmen Sie Jena, nehmen Sie das Maritim in Magdeburg. Die machen alle einen großen Teil ihres Geschäfts mit Kongressen und Tagungen.

Warum werden die Strukturen in Halle nicht geschaffen?

Voß: Die Hoteliers fürchten die zusätzliche Konkurrenz. Die Zuversicht fehlt, dass man in Halle mit einem großen Kongresshotel an der Spitze so viel mehr Geschäft akquirieren würde, dass auch andere Hotels mehr profitieren als verlieren. Und das kann ich denen nicht mal übelnehmen. So, wie die Lage derzeit ist, muss man sich also auf kleinere Margen einstellen, was traurig ist. Aber bei 300 Kongressteilnehmern ist derzeit nun mal Schluss. Wenn ich dagegen 1 500 „Botschafter“ hätte, die nach einem Kongress begeistert nach Hause fahren, dann hätte das eine ganz andere Strahlkraft.

Was würden Sie sich von den Hallensern wünschen?

Voß: Es wäre schön, wenn die Hallenser stolzer auf ihre Stadt und deren einzigartige Kulturlandschaft wären. Und wenn Halle endlich ein Kongresszentrum hätte.