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  7. Soziale Teilhabe und Mobilität: Der tägliche Kampf der Familie Maier

„Am Ende des Monats bleibt nichts übrig“ Familie in Not braucht dringend größeres Auto - Sind Leistungen zur Teilhabe die Lösung?

Familie Maier aus der Nähe von Halle benötigt dringend ein neues Auto, um die Mobilität ihrer behinderten Kinder zu sichern. Staatliche Hilfe reicht oft nicht aus. Das Beispiel zeigt, wie mühselig sich das Thema gestalten kann.

Von Jakob Münz Aktualisiert: 23.04.2024, 17:40
Familie Maier aus der Nähe von Halle ist auf ihr Auto angewiesen. Ein neues scheint jedoch aus finanziellen Gründen unerreichbar.
Familie Maier aus der Nähe von Halle ist auf ihr Auto angewiesen. Ein neues scheint jedoch aus finanziellen Gründen unerreichbar. Foto: Luisa König

Halle/MZ. - „Driiiing!“ Die Türklingel schlägt an. Zwei Hunde bellen laut. Christian Maier öffnet. Die Hunde seien im Garten, also kein Grund zur Beunruhigung, sagt er. Das Haus der Maiers verfügt über vier Zimmer und eine Wohnküche. Insgesamt neun Menschen wohnen hier. Da sind Christian und Susann, die Eltern. Hinzu kommen drei Kinder von Susann und drei Kinder von Christian. Ein siebtes, gemeinsames Kind ist im März geboren worden.

Christian und Susann sind seit mehr als einem Jahr verheiratet. Pro Zimmer wohnen zwei Kinder zusammen. Im jetzigen Alter gehe das, aber in Zukunft könne das schwieriger werden, meint Christian Maier. Trotzdem ist die Familie froh, dort zu sein, da man schlicht nichts anderes gefunden habe.

In der Küche sind einige Terrarien mit Schildkröten und Chamäleons, die Maiers mögen Tiere. Neben dem Küchentisch sitzt der neunjährige Lucas. Er sitzt im Rollstuhl und ist schwerbehindert. Neben Lucas sind noch drei weitere Kinder in der Familie behindert, eines davon, Laura, ist ebenfalls schwerbehindert.

Viele Handicaps: Kinderreiche Familie ist auf ein Auto angewiesen

Familie Maier wohnt außerhalb von Halle und ist auf ein Auto angewiesen. Vor allem auch, weil die Kinder aufgrund ihrer Behinderungen öfter zum Arzt oder zu Therapien müssen. Im Moment haben die Maiers einen Dacia Logan (Baujahr 2010). „Den kriege ich gerade so noch durch den nächsten TÜV, da brennt schon jede Warnleuchte“, berichtet Christian Maier.

Außerdem verfügt das Auto nur über sieben Sitze. Darum versucht Familie Maier verzweifelt, ein neues, größeres Auto zu bekommen. Dies stellt jedoch für die Familie eine große Herausforderung dar.

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Christian und Susann beziehen Bürgergeld und gehen nicht arbeiten. Aber nicht, weil sie keine Lust haben. Die beiden sind den ganzen Tag mit der Pflege ihrer Kinder beschäftigt. Vor allem Lucas und Laura haben keine Chance, ihren Alltag ohne Hilfe zu bewältigen. Sie werden wohl für den Rest ihres Lebens auf ihre Eltern angewiesen sein.

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Die Kinder waschen, anziehen, ihnen beim Essen helfen und Medikamente geben: „Zum Arbeiten bleibt da keine Zeit.“ Die Pflege ihrer Kinder ist ein Vollzeitjob und kostet viel Kraft. Trotzdem sind die Maiers „Mama und Papa aus Leidenschaft“. Christian Maier habe mal versucht, nebenher arbeiten zu gehen, doch es sei schnell klar geworden, dass dies nicht funktioniere.

„Es vergeht keine Woche, in der ich nicht ein Kind aus der Schule abholen muss, weil etwas nicht stimmt“, erzählt er. „Erklär das mal deinem Chef, wenn du auf der Arbeit dauernd wegmusst.“

Kein Geld übrig: Auto-Finanzierung für die Familie nicht möglich

Eine Finanzierung eines Autos sei gerade nicht stemmbar. Mit Bürgergeld, Kindergeld, Pflegegeld und Unterhaltsvorschuss habe die Familie abzüglich anderer Kosten für Essen, Klamotten und Freizeit noch circa. 2.500 Euro im Monat. Aufgeteilt auf im Moment neun Personen, da die Familie noch keine Leistungen für das Neugeborene erhält: „Am Ende des Monats bleibt nichts übrig.“ Staatliche Unterstützung gibt es zwar, ob diese der Familie wirklich helfen könnte, ist unsicher.

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Die einzige Möglichkeit für die Familie ergibt sich aus dem neunten Sozialgesetzbuch. Dort heißt es: „Leistungen zur sozialen Teilhabe werden erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern.“ Dazu gehören Leistungen zur Mobilität.

„Es geht hier darum, dass Menschen mit Behinderungen durch ihre Situation einen eindeutigen Nachteil im gesellschaftlichen Leben haben. Darum haben sie Anspruch auf einen Nachteilsausgleich“ erklärt Stefan Flach-Bulwan von der Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen der Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg. Die Höhe der möglichen Zuschüsse orientiere sich an der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung. Diese sieht Zuschüsse für den Kauf oder Umbau eines Kraftfahrzeugs bis zu einer Höhe von 22.000 Euro vor.

Kann das neunte Sozialgesetzbuch helfen?

Ob die Familie Zuschüsse bekomme, sei im Vorfeld schwer zu sagen, da dies immer vom Einzelfall abhänge, so Flach-Bulwan. Außerdem müsse der Wert des Wagens zum Zeitpunkt des Kaufes mindestens 50 Prozent seines Neuwagenwertes betragen. Einen Teil müsse Familie Maier wahrscheinlich selbst finanzieren. Trotzdem empfiehlt er, es zumindest zu versuchen.

Fehlende Mobilität: Situation für Kinder belastend

Ob Zuschuss oder nicht, für Familie Maier steht außer Frage, dass sie ein neues Auto brauchen. Man könne nie mit der ganzen Familie wegfahren oder Verwandte besuchen. Dies sei vor allem für die Kinder belastend. „Das fühlt sich ganz schön beschissen an.“ Auch Bus und Bahn seien keine Option. Mit sieben, teilweise behinderten, Kindern sei dies eine fast unmögliche Herausforderung. Die Familie ist es gewohnt, um Unterstützung kämpfen zu müssen. Die Beschaffung von Hilfsmitteln, wie einem Krankenbett oder speziellen Autositz für Lucas, „ist ein ständiger Kampf mit den Krankenkassen“.

Höhere Chancen als über staatliche Hilfe bestehen laut verschiedenen Sozialverbänden, wie der Caritas, über Stiftungen oder Spenden. Familie Maier hat bereits mehr als 50 Stiftungen angeschrieben, wie sie erzählt, und nur Absagen erhalten.