Projekt „Go! Halle“ Nach der Schule auf sich allein gestellt: Hier wird Jugendlichen in Halle geholfen
Auch in Halle stecken viele Jugendliche nach der Schule fest. Sie finden keinen Anschluss, der Start ins Berufsleben misslingt. Das hat massive Folgen für sie. Doch es gibt Hilfe.

Halle (Saale)/MZ. - Über seine Eltern möchte er nicht sprechen. Nur soviel: Sie würden in seinem Leben keine Rolle mehr spielen, sagt der 19-Jährige. Familiäre Unterstützung hat der junge Hallenser, der seinen Namen nicht öffentlich preisgeben möchte, in seiner Schwester. Sie hat ihm den entscheidenden Tipp gegeben, als mit der Volljährigkeit sein Auszug aus dem betreuten Wohnen anstand.
Wie sie ihm geraten hatte, wandte er sich an das Büro von „Go! Halle“ in der Heideringpassage. Das Projekt ist stadtweit an vier Standorten vertreten - in Heide-Nord und in der Innenstadt, in Neustadt und auf der Silberhöhe. Es wird vom Jobcenter und der Stadt finanziert und richtet sich an Jugendliche wie den 19-Jährigen, an junge Menschen in Notlagen. Träger sind der Internationale Bund (IB) und das Familienzentrum St. Georgen. Hervorgegangen ist das Go! aus dem Projekt „Lösbar“, das von der Europäischen Union gefördert wurde.
Projekt Go! in Halle: Hilfe bei Anträgen und Bewerbung
Für den 19-Jährigen ging es zunächst darum, Wohnung und Ausbildungsplatz zu finden. Die Wohnungssuche verlief mit Unterstützung von Sozialarbeiterin Iris Steinbach erfolgreich, und auch mit der Lehre zum Fachlageristen sah es zunächst gut aus, wie er erzählt. Doch nach drei Monaten habe ihm der Betrieb gekündigt. Warum, könne er sich nicht so recht erklären. Aber er wolle nach vorn blicken: Mit Hilfe von Iris Steinbach hat er inzwischen den Antrag auf Bürgergeld ausgefüllt. Im neuen Jahr wollen beide gemeinsam so richtig loslegen mit Bewerbungen für einen neuen Ausbildungsplatz in der Logistik.
Die nötigen Voraussetzungen bringe er mit, lässt der 19-Jährige mit ein bisschen Stolz deutlich werden. Er habe den Hauptschulabschluss und könne auch schon einen Staplerschein vorweisen. Bis es soweit ist mit der Ausbildung, wolle er in einem Minijob arbeiten, erzählt der Hallenser. Er wolle jetzt einfach dranbleiben.


Sozialarbeiterin Steinbach hört das gern, auch wenn sie so wie ihre Kolleginnen aus der täglichen Arbeit nur allzu gut weiß, dass das leichter gesagt als getan ist. Aber sie werten nicht. Den jungen Leuten vorurteilsfrei zu begegnen, ist erklärtes Ziel des Projektes. Es ist niedrigschwellig angelegt, wie es in der Fachsprache heißt - wer zwischen 15 und 25 Jahre alt ist und Hilfe sucht, soll sie bei Go! Halle finden. Sei es direkt vor Ort oder bei einem Netzwerkpartner, wie Katharina Früchtel berichtet, Teamleiterin für die vom Internationalen Bund getragenen Jugendbüros in Heide-Nord und der Innenstadt.
Jobcenter geht von Hunderten Betroffenen in Halle aus
Beim Jobcenter geht man nach früheren Angaben davon aus, dass die Zahl hallescher Jugendlicher, für die es über Go! Hilfe geben kann, in die Hunderte geht. Manche von ihnen haben kein Zuhause, kommen mal bei den einen und mal bei anderen Freunden unter. Damit sie dennoch ihre Wäsche in Ordnung halten können, sind die Jugendbüros mit Waschmaschinen ausgestattet. Oft ist der Kontakt mit Behörden oder Institutionen wie Banken schwierig für sie. Es sei gar nicht so selten, dass Jugendliche mit einem großen Stapel ungeöffneter Briefe im Büro in der Heideringpassage auftauchen, berichtet Sozialarbeiterin Cindy Cieschek. Schulden von 10.000 Euro und mehr seien wenn schon nicht die Regel, so aber doch ein häufiger Grund, bei Go! Hilfe zu suchen. Ein Großteil der Klienten habe psychische Probleme.
„70 bis 80 Prozent sind traumatisiert“, sagt Psychologin Romy Blume, die ebenfalls zum IB-Team im Projekt gehört. Sie hätten Gewalt erlebt, Missbrauch oder Krieg. Sie könne Therapien empfehlen und die jungen Leute auch auf dem Weg dahin begleiten. Manchen helfe schon ein gemeinsamer Rundgang durch die Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, die Scheu vor dem Schritt zu verlieren, der eigenen Psyche helfen zu lassen.
Projekt in Halle: Hilfe in allen Lebenslagen
Beistand in unterschiedlichsten Lebenslagen ist eine der wichtigsten Aufgaben all derer, die im Projekt mitarbeiten. Diese Lebenslagen können ganz unterschiedlich ausfallen, stellt auch Maud Rescheleit immer wieder fest, für St. Georgen Teamleiterin der Go!-Büros Neustadt und Silberhöhe. Sie berichtet von einem jungen Mann aus Afrika, der schnell sehr gut Deutsch lernte und der das Abitur mit 1,2 bestanden hat. Seine Pläne, anschließend zu studieren, wollte seine Mutter nicht akzeptieren. Der Junge sollte nun Geld verdienen. Weil er darauf bestand, seinen Weg zu gehen, habe sich die Familie von ihm losgesagt, berichtet Maud Rescheleit. Auch er erhält nun Unterstützung durch das Projekt.
„Jungen Menschen mit teils sehr großen persönlichen Problemlagen benötigen Unterstützung, um den Wiedereinstieg in ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben zu erreichen“, betont Jobcenter-Geschäftsführer Jan Kaltofen. Das gelinge in Halle unter anderem durch das Go!-Angebot seit etlichen Jahren sehr gut. „Die aktuellen Ergebnisse mit weit über 800 erreichten Jugendlichen können sich sehen lassen.“
Das sei vor allem auf die Arbeit der Mitarbeiter in ihren Teams zurückzuführen, sind sich Katharina Früchtel und Maud Rescheleit einig. Deren Arbeit sei nicht hoch genug zu schätzen, sie seien mit Herzblut bei der Sache. Dass mancher dem Projekt dennoch den Rücken kehrt, liege an der Unsicherheit, dass die Förderung immer wieder aufs Neue bewilligt werden muss. Maud Rescheleit sagt: „Es ist schwierig, Jugendlichen eine Perspektive aufzuzeigen, wenn man nicht weiß, ob man selber eine hat.“