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Mordfall Mariya Mordfall Mariya: Hoffen auf den Durchbruch

Von jan möbius 20.11.2014, 18:04
Chefermittler Holger Jungklaus spricht mit Rudi Cerne während der Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst"
Chefermittler Holger Jungklaus spricht mit Rudi Cerne während der Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" Jan Möbius Lizenz

halle (Saale)/münchen - „Noch 30 Sekunden, viel Glück.“ Schlagartig verstummt das sonore Raunen im Studio drei des Bavaria-Filmparks vor den Toren Münchens. In wenigen Augenblicken beginnt die 488. Live-Sendung der ZDF-Reihe „Aktenzeichen XY ... ungelöst“. Obwohl die Abläufe zur Routine geworden sind, macht sich Anspannung breit. Es ist die erste Sendung aus dem neuen Studio nach dem Umzug. Und gleich mit dem ersten Fall führt Moderator Rudi Cerne die Zuschauer nach Halle.

4,92 Millionen Menschen verfolgen sein Gespräch mit Chef-Ermittler Holger Jungklaus über den Mord an der bulgarischen Studentin Mariya Nakovska im Februar dieses Jahres. Den plötzlichen Durchbruch für die zäh verlaufenden Ermittlungen haben die eingegangenen Zuschauer-Hinweise zwar nicht gebracht, resümiert Jungklaus noch in der Nacht zum Donnerstag gegenüber der MZ. Doch gibt es jetzt womöglich eine Spur nach Thüringen.

Nervosität beim Chef

Die Nervosität ist dem Chef der halleschen Mordkommission „Neuwerk“ nicht anzumerken. Routiniert schildert er den Fall „Mariya“, beschreibt Beweisstücke und erklärt das Vorgehen der Polizei. Minuziös ist der Ablauf geplant. Der zuständige Sendungsredakteur - sechs gibt es bei XY an der Zahl - Ortwin Csallner überlässt nichts dem Zufall. „Wir sind momentan auf einen Übertragungswagen angewiesen. Das alte Studio hatte dafür eine fest installierte Anlage. Aber das wird schon“, sagt er wenige Minuten vor der Sendung. Dann gibt er das Zepter aus der Hand. Die Regie und Chefredakteurin Ina-Maria Reize übernehmen.

Die bekannte ZDF-Sendung will den Fall der in Halle getöteten Studentin Mariya N. aufgreifen. Die Ermittler der halleschen Mordkommission „Neuwerk“ hoffen durch die Sendung neue Hinweise zu bekommen. Die Polizei hat auch nach 1550 überprüften Speichelproben noch keine Hinweise auf den Täter.

Nach knapp 16 Jahren sollte mit Hilfe der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ der mutmaßliche Mord an einer 16-Jährigen aus Aschersleben aufgeklärt werden, die 1998 erstochen wurde. Nach der Ausstrahlung sind bei der Polizei etwa 20 Hinweise eingegangen.

Nach dem Mord an einer Achtjährigen aus der Wetterau vor 15 Jahren wurde ihr Fall in der ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY... ungelöst» gezeigt. Das Mädchen aus Ranstadt war im September 1999 vom Spielen nicht nach Hause gekommen.

Ein Mann aus Stendal wurde seit fünf Jahren vermisst. Der damals 29-jährige Mann verließ im Februar 2009 den Garten seines Vaters, um zu einer Tankstelle zu fahren und kam nicht zurück. Der Fall war Thema in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“. Die Fernsehfahndung brachte neue Hinweise, denen die Polizei nachging.

Bei Löscharbeiten in einem Wohnhaus fand die Feuerwehr am 14. Dezember 2011 die verkohlte Leiche einer jungen Frau. Die Obduktion brachte ans Licht, dass die Frau durch mehrere Messerstiche starb. In der Sendung „Aktenzeichen XY...ungelöst“ wurde nach dem mutmaßlichen Täter der 26-Jährigen gesucht.

Die Kameraeinstellungen, mit denen Jungklaus über die deutschen Fernseh-Bildschirme geschickt wird, sind ebenfalls bis ins Detail vorbereitet. „Ich weiß genau, wann ich an welchem Punkt im Studio sein muss und welche Einstellungen - nah oder fern - gefordert sind“, sagt Kameramann Klaus Dörle. Seit 20 Jahren arbeitet er für das XY-Team. Die Fälle lassen ihn nicht kalt. „Das menschliche Leid ist oft greifbar“, so Dörle. Gespräche mit der Familie würden ihm aber helfen, Verbrechen wie das an der bulgarischen Studentin Mariya Nakovska nicht zu nah an sich herankommen zu lassen.

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Mit einem kurzen Film wird der Mordfall - als solchen haben ihn sowohl die Polizei als auch die Staatsanwaltschaft in Halle eingestuft - dem Publikum erklärt. Er zeigt, wie die 29-jährige BWL-Studentin in der Saalestadt lebte, wo sie lernte und wo sie wohnte.

Die 29 Jahre alte Studentin Mariya Nakovska aus Bulgarien war Anfang Februar tot in einem Nebenarm der Saale gefunden worden. Laut Obduktion wurde die Studentin vergewaltigt und erwürgt. Eine Spur zum Täter gibt es bisher trotz eines großen DNA-Abgleichs nicht - 1 800 freiwillige Speichelproben wurden ausgewertet. Die junge Frau lebte seit 2005 in Halle und studierte Betriebswirtschaft. Sie stand kurz vor dem Abschluss.

Dem aufmerksamen Zuschauer wird dabei aber schnell klar: Die Szenen, die die Mariya darstellende Schauspielerin etwa auf einer Saale-Brücke zeigen, sind nicht in Halle entstanden. „Wir haben sie hier in der Region gedreht“, räumt Redakteur Csallner ein. Der angenommene Tatablauf entspricht aber den bisherigen Ermittlungsergebnissen.

Nur wenige Minuten, nachdem das Gespräch zwischen Rudi Cerne und Holger Jungklaus beendet ist, greift der Chef der Mordkommission schon zum Telefonhörer. Erste Hinweise gehen im Studio ein. Auch im halleschen Lage- und Führungszentrum der Polizei klingeln die Apparate zu diesem Zeitpunkt.

Platz eins der Einschaltquoten

Bis Donnerstagabend gehen zwölf neue Hinweise ein. Auch den Tipp, sich den Fall in Thüringen genauer anzusehen, bekommt Jungklaus. Worum es sich dabei genau handelt, bleibt aber offen. Zumindest, dass es sich ebenfalls um einen Vergewaltigungsfall handeln soll, wird bekannt. „Dem und allen anderen Hinweisen werden wir jetzt nachgehen“, sagt Jungklaus.

Der Mord an der Studentin Mariya N. in Halle ist Bestandteil der mittlerweile 488. Folge von „Aktenzeichen XY ungelöst“. In mehr als vier Jahrzehnten hat es in der Sendung einige Aufsehen erregende Fälle gegeben. Dazu gehörte der Mord an vier Bundeswehrsoldaten. Eine Wahrsagerin gab nach der Sendung 1969 den entscheidenden Hinweis. 2011 wurde durch Aktenzeichen der Fall Lolita Brieger geklärt. Sie war 1982 spurlos verschwunden. Während der Sendung belastete ein Anrufer einen Bekannten, die Frau getötet zu haben. Ein Gericht wertete den Fall als mittlerweile verjährten Totschlag.

Die meisten Fälle wurden nach einer 2007 veröffentlichten Bilanz aus Nordrhein-Westfalen gesendet: 588. Schlusslicht war Mecklenburg-Vorpommern (12). Sachsen-Anhalt lag mit 23 Fällen auf Rang zwölf.

Eduard Zimmermann, gestorben 2009, war als Gründer der Sendung bis 1997 auch ihr Moderator. Dann übernahmen Tochter Sabine und Butz Peters. Seit 2002 moderiert der ehemalige Eiskunstläufer und heutige Sportreporter Rudi Cerne die Sendung

Was er zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Die Sendung landet einmal mehr auf Platz eins der Einschaltquoten - mit einem Marktanteil von 15,7 Prozent. Und hoffen kann Jungklaus auch. Immerhin fast 40 Prozent aller XY-Fälle werden im Nachhinein tatsächlich aufgeklärt. (mz)

Chefredakteurin Ina-Maria Reize (zweite von links) und Sendungsredakteur Ortwin Csallner (rechts daneben) verfolgen die Sendung vom Regietisch aus.
Chefredakteurin Ina-Maria Reize (zweite von links) und Sendungsredakteur Ortwin Csallner (rechts daneben) verfolgen die Sendung vom Regietisch aus.
Jan Möbius Lizenz
Kameramann Klaus Dörle ist seit 20 Jahren dabei.
Kameramann Klaus Dörle ist seit 20 Jahren dabei.
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Holger Jungklaus nimmt im Studio einen Anruf entgegen.
Holger Jungklaus nimmt im Studio einen Anruf entgegen.
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