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Kommentar zu Gedenkkonzert Kommentar zu Gedenkkonzert: Die Stadt Halle hält zusammen

Von Hartmut Augustin 20.10.2019, 19:02
Joris, Max Giesinger, Michael Schulte bei #HalleZusammen
Joris, Max Giesinger, Michael Schulte bei #HalleZusammen Katrin Sieler

Halle (Saale) - #hallezusammen - mit diesem Hashtag fing alles an. Innerhalb weniger Tage ist unter dem Motto ein überwältigendes Gedenkkonzert in Halle auf die Beine gestellt worden. Medienhäuser der Stadt - ein ganz besonderer Dank geht hier an den MDR - haben die Veranstaltung organisiert.

Doch überwältigend wurde das Konzert, weil alle Künstler auf der Bühne ihr Allerbestes gaben, und vor allem, weil die mehr als 15.000 Zuschauer auf dem Marktplatz ein klares Zeichen gegen Gewalt und Hass, für Weltoffenheit und Toleranz gesetzt haben.

Im Zentrum von Halle war stundenlang Gänsehaut pur zu erleben. Es tat den Menschen sehr gut, die nach dem brutalen antisemitischen und rechtsterroristischen Anschlag mit mehreren Toten und Verletzten natürlich verunsichert sind.

In Halle ist kein Platz für Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus

Sie haben sich erneut untergehakt, wie schon in den Tagen unmittelbar nach der schrecklichen Tat. Sänger Joris hat den Besuchern von der Bühnen zugerufen: „Umarmt euch!“ Und Menschen, die sich vorher nicht kannten, haben sich tatsächlich umarmt!

Das tut gut, unterstützt die eigene Haltung und zeigt der Welt: In Halle ist kein Platz für Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus. Diese Zeichen sind ein bedeutsamer Teil des Gedenkens an die Opfer des Anschlags. Doch genauso wichtig ist es jetzt, darüber nachzudenken, was aus dem Terroranschlag für die Zukunft folgen muss.

Derzeit wird über den Schutz von Synagogen und anderer religiöser Orte nachgedacht. Das ist ein absolutes Muss. Doch der Anschlag vom 9. Oktober wirft noch eine Reihe weiterer Fragen auf, die in den kommenden Monaten und Jahren bloß nicht aus dem Auge verloren werden dürfen.

Wie erfolgreich ist unser Bildungssystem?

Der Täter ist im wiedervereinigten Deutschland geboren worden, hat hier eine Schule und eine Hochschule besucht - und ist in unserem demokratischen System nicht angekommen. Hat denn niemand mitbekommen, was sich im Kopf des Mannes abspielt? Oder war es sogar egal? Was ist da schiefgelaufen?

Am Ende führt das zu der Frage: Wie erfolgreich ist unser Bildungssystem tatsächlich? Das Wissen in Mathematik, Chemie und anderen naturwissenschaftlichen Fächern wird immer wieder bundesweit getestet. Wie sieht es eigentlich mit dem Demokratie-Verständnis aus?

Es ist doch alarmierend, wenn in Umfragen immer wieder festgestellt wird, dass gerade jungen Leuten das Vertrauen in die Demokratie fehlt - in Ost und West. Also: Unser Bildungssystem muss dringend analysiert werden.

Gesamte Gesellschaft trägt Verantwortung

Verantwortung für die politische Bildung trägt aber die gesamte Gesellschaft. Denn das Thema endet nicht mit der Schulzeit. Da sind Parteien und politische Institutionen im Besonderen gefordert. Sie müssen wieder vor Ort präsenter werden und vor allem zu den Menschen gehen, die sie jahrelang nicht erreicht haben.

Das wird nicht einfach, denn gerade im Osten der Bundesrepublik leiden Parteien unter einem Mitgliederschwund. Dort ist ein „Aufbau Ost“ nötig, der von den Bundeszentralen aus gesteuert werden muss. Aber auch Unternehmen tragen Verantwortung. Denn es kann doch nicht egal sein, wie die Beschäftigten zum politischen System der Bundesrepublik stehen.

Das Gedenkkonzert hat gezeigt: Halle hält zusammen. Das macht Mut, die schwierigen Aufgaben der Zukunft anzugehen und sich im täglichen Kleinklein nicht entmutigen zu lassen. Nach dem Wochenende gibt es für mich ein klares Fazit: Ich bin stolz auf Halle!

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]

Abschlussauftritt mit Künstlern und Helfern bei #HalleZusammen
Abschlussauftritt mit Künstlern und Helfern bei #HalleZusammen
Katrin Sieler