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Integration Integration: Nur wenige Migranten in Parteien aktiv

Von Michael Bertram 29.11.2012, 19:35

Halle (Saale)/MZ. - "Es ist doch schade", sagt Tatjana Lorenz und macht eine längere Pause. Der Zuhörer spürt, wie die Spätaussiedlerin Worte in ihrem Mund hin- und herschiebt, bis sie das passende gefunden hat. Denn Lorenz will unter keinen Umständen, dass ihre Kritik falsch verstanden wird. Aber: "Wie können die Parteien über uns Migranten entscheiden, wenn wir in die Debatten gar nicht richtig eingebunden sind?", fragt Lorenz schließlich frei heraus.

Perspektive vertan

Beim jüngsten Kreisparteitag der CDU im Saalekreis hatte sie sich für ein Amt im Vorstand beworben. Am Ende erhielt sie 42 Stimmen - scheiterte dennoch knapp. Lorenz' Kritik resultiert aber nicht etwa aus Verbitterung. "Ich bin auch nicht wirklich enttäuscht, denn es ist ein gutes Ergebnis", sagt sie. Man habe bei der Wahl aber die Chance vertan, die im Kreis lebenden Menschen mit ausländischen Wurzeln ganz nah an die Schaltzentrale des Kreisverbandes zu holen.

Wie eine Umfrage bei den Kreisverbänden der fünf großen Parteien im Saalekreis zeigt, sind Migranten dort generell kaum repräsentiert. Die meisten Menschen mit Migrationshintergrund weist demnach die SPD auf. Laut eigenen Angaben haben von den über 250 Mitgliedern im Kreis 20 ausländische Wurzeln. Bei der CDU seien es bei mehr als doppelt so vielen Mitgliedern gerade einmal zwei, bei den Bündnisgrünen eines. Bei der FDP und den Linken sei kein Migrant zu finden. Sprechen die Programme der Parteien die Migranten nicht ausreichend an? "Das hat damit nichts zu tun", meint der CDU-Kreisvorsitzende Frank Bannert. "Denn wir haben generell das Problem, dass Parteien für viele Menschen nicht mehr attraktiv sind." Genau an dieser Stelle müsse man ansetzen und nach Lösungen suchen.

"Rechnungen, wer wie viele Migranten hat, sind schlecht, wenn man nicht weiß, wer genau sich dahinter verbirgt", sagt Bannert. Seine Partei setze auf die guten Kontakte zu ausländischen Bürgern. Insbesondere mit den Spätaussiedlern arbeite man eng zusammen.

"Wir sind mit dem Ohr an der Masse", behauptet Alexander Lehmann von der SPD. Mitglieder mit Migrationshintergrund seien im Kreisverband zudem gut eingebunden. Beim Thema Einbürgerung sei man sehr aktiv. Und auch die Grünen machen sich thematisch für Ausländer attraktiv, indem sie etwa ein Wahlrecht auch für EU-Ausländer und Migranten, die länger als ein Jahr in Sachsen-Anhalt leben, fordern, wie der Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel sagt.

Migranten sind willkommen

FDP und Linke bedauern, dass Migranten nicht auf ihre Parteien zukommen. "Wir sind dafür aufgeschlossen, denn das würde die Parteiarbeit beleben", glaubt Torsten Henze (FDP). "Es ist wichtig, dass Migranten originär ihre Ansichten in Parteien vertreten", meint Angelika Hunger (Linke). Sie glaubt, dass es in ihrem Verband keine Migranten gibt, weil ein Engagement bei den Linken von der Gesellschaft eher kritisch beäugt wird.

Der Integrationskoordinator des Kreises, Edward Sulek, glaubt, dass die gestellten Ansprüche an Ausländer viel höher sind. "Sie müssen sich stärker beweisen und zeigen, dass sie ihr Engagement ernst meinen und hinter ihren Ideen stehen", sagt Sulek. Tatjana Lorenz will sich nicht entmutigen lassen: "Vielleicht trete ich in zwei Jahren ja noch mal an", sagt sie.