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Institut für Anatomie gedenkt Opfer der NS-Zeit Institut für Anatomie gedenkt Opfer der NS-Zeit: Ort der Erinnerung auf Gertraudenfriedhof

Von Peter Godazgar 26.06.2014, 17:32
Ein Ort der Erinnerung, 70 Jahre nach der Hinrichtung: Tomasz Steppa betrachtet die Gedenkstele für seine Tante Krystyna Wituska auf dem Gertraudenfriedhof.
Ein Ort der Erinnerung, 70 Jahre nach der Hinrichtung: Tomasz Steppa betrachtet die Gedenkstele für seine Tante Krystyna Wituska auf dem Gertraudenfriedhof. Thomas Meinicke Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Krystyna Wituska ist gerade mal 24 Jahre alt, als sie stirbt. Die letzten Monate ihres Lebens verbringt die junge Frau als Häftling im Gefängnis Roter Ochse.

Zum 70. Jahrestag ihrer Hinrichtung ist auch ein Buch über das Schicksal der Krystyna Wituska und zweier weiterer Widerstandskämpferinnen erschienen. Verfasst wurde es von der halleschen Autorin Simone Trieder und dem Historiker Lars Skowronski („Zelle Nr. 18“, be.bra-Verlag, 224 Seiten, mit zahlreichen Fotos, 19,95 Euro). Es enthält auch Auszüge aus den zahlreichen Briefen, die die junge Frau aus der Todeszelle geschrieben hat.

Im November 1943 wird sie von Berlin-Moabit nach Halle verlegt - das Urteil ist da längst gefällt: Im April 1943 hat das Reichskriegsgericht Krystyna Wituska zum Tode verurteilt - wegen Spionage.

Gedenken an Krystyna Wituska

Die junge Polin starb am 26. Juni 1944 durch das Fallbeil - ihre sterblichen Überreste jedoch wurden nicht beerdigt: Krystyna Wituskas Körper wurde dem Uni-Institut für Anatomie übergeben, als „Körperspende“ für wissenschaftliche Untersuchungen. Am Donnerstag, auf den Tag genau 70 Jahre nach der Hinrichtung, erinnerten das Uni-Institut und die Gedenkstätte Roter Ochse an das Unrecht, das an der jungen Frau begangen wurde. Und nicht nur an ihr: Für den Direktor des Instituts für Anatomie und Zellbiologie, Prof. Bernd Fischer, steht Krystyna Wituskas Schicksal stellvertretend für mindestens 69 weitere in der NS-Zeit hingerichtete Menschen, deren Körper dem Anatomischen Institut übergeben wurden.

Untersuchung der Vorgänge

Ein „schlimmer, schwarzer Fleck“ in der Institutsgeschichte, so Fischer - aber einer, dem man sich stelle. Bereits seit 1996 werden die Vorgänge aus der Nazi-Zeit untersucht, gemeinsam mit der Gedenkstätte Roter Ochse. Ausgangspunkt waren meist Fragen von Angehörigen der Hingerichteten. So kam bereits in den 1970er Jahren die engste Freundin Krystyna Wituskas nach Halle, um das Grab der Getöteten aufzusuchen. Allein, es gab keinerlei Informationen darüber, wo die sezierten Leichen schließlich bestattet wurden. So hätten die Nazis ihren Opfern „die Würde noch über den Tod hinaus abgesprochen“, sagte Henriette Quade, Landtagsabgeordnete für Die Linke, die die Umsetzung des Projekts mit einer Spende in Höhe von 1 000 Euro unterstützte.

So ist auch der Gedenkort nur ein symbolischer: Er befindet sich in direkter Nachbarschaft zum Ehrengrabfeld, das das Anatomie-Institut auf dem Gertraudenfriedhof für seine Körperspender eingerichtet hat. Die Stele aus Sandstein und die Gedenkplaketten hat der hallesche Bildhauer Bernd Göbel gestaltet.

Was Institutsdirektor Fischer besonders freut: Die Finanzierung wurde auch von vielen Einzelpersonen und Firmen realisiert.

Briefe halten die Erinnerung aufrecht

Am Donnerstag ebenfalls vor Ort: Tomasz Steppa, der inzwischen 72-jährige Neffe von Krystyna Wituska, der seine Tante nur aus deren Briefen kennt. Ihren letzten Brief verfasste sie wenige Stunden vor der Hinrichtung, Adressat waren ihre Eltern. Der Brief endet mit den Worten: „Ich bin vollkommen ruhig, glaubt mir, ich werde ruhig sein bis zum letzten Augenblick. Meine letzte Pflicht Euch und Polen gegenüber ist es – tapfer zu sterben!“

Krystyna Wituska
Krystyna Wituska
Universitätsbibliothek Warschau Lizenz