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Halle Halle: Franckes Tintenrezept enthüllt

Von CLAUDIA CRODEL 06.08.2009, 16:50

HALLE/MZ. - "Wiederentdeckt haben wir das Rezept vom 10. Januar 1760 bei den Recherchen zur neuen Ausstellung ,Schnörkel Rüssel Gänsekiel', in der es um die Schrift und den Schreibunterricht am Waisenhaus geht", erklärt Carmela Keller, Archivarin und Kuratorin der Schau. "Wir wussten zwar von einem alten Rezept, aber dass es für Tinte ist, daran hatten wir bisher sehr gezweifelt." Eigentlich sei das historische Dokument eher eine Art Einkaufsliste, auf der Rohstoffe in bestimmten Mengen sowie deren Kosten stehen. Doch Versuch macht klug. So wurden die Zutaten aus der Apotheke des Waisenhauses bezogen: gestoßener englischer Vitriol (Eisenzweisulfat), geraspeltes Brasilienholz (ein Rotholz), Gummiarabicum, Galläpfel und mehrere Kannen Essig. Doch wie wird daraus Franckes Tinte?

"Eine Handlungsanleitung war leider nicht dabei", bedauert Keller. Wohl aber ein Hinweis auf Töpfe und aufs Kochen. "Wir haben es einfach ausprobiert und experimentiert", so die Archivarin. Wenn man alle Zutaten zerkleinere und vermenge, entstehe bereits eine braune Flüssigkeit. "Wird diese gekocht, kommt eine ganz dunkle, bräunliche Tinte heraus, die sogar für Urkunden taugt." Das historische Rezept und die daraus gekochte Tinte wird nun in der neuen Ausstellung erstmals gezeigt.

An den Schulen der Franckeschen Stiftungen war der Schreibunterricht einst eine der wichtigsten Unterrichtsstunden. Francke hatte die Bedeutung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache und deren Beherrschung nicht nur für die Verbreitung der pietistischen Reformideen, sondern auch für Wirtschaft und Handel erkannt. Die Schrift, die deutsche Kurrentschrift, wurde bald auch Waisenhäuser Hand genannt. Der Schreibunterricht wurde durch Studenten erteilt, die wiederum von Schreibmeistern angeleitet wurden. Im Archiv der Stiftungen befinden sich mehrere Schreibmeisterbücher, in denen steht, wie die Buchstaben auszusehen hatten.

Das Papier bezog man aus der Kröllwitzer Papiermühle, die damals den Stiftungen gehörte. Als Schreibfeder wurde ein Gänsekiel verwendet. "Doch trotz Anleitung und langem Ausprobieren ist es uns nicht gelungen, eine Feder so zuzuschneiden, dass man die typische, ganz feine Schrift hinbekommt", bedauert Carmela Keller.

Die Ausstellung ist in der Historischen Bibliothek, Haus 22, Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.