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Halle Halle: Almosenbüchsen überall

Von SILVIA ZÖLLER 22.06.2012, 19:01

Halle (Saale)/MZ. - Halle um 1664: Die Armut war so groß, dass das Betteln weit verbreitet war. Um zu überleben, mussten die Menschen auf der Straße um Brot und Almosen bitten. Doch das änderte sich mit einer Verordnung, die das Betteln 1664 verbot - seit diesem Jahr verteilten ehrenamtliche Beauftragte im Namen der Stadt Brot und Geld an Menschen in Not.

Dies ist eines von vielen Ergebnissen einer Zeitreise ins 17. Jahrhundert, auf die sich Berufsschüler der "Friedrich List"-Schule im Rahmen einer Projektwoche begeben haben. Die 23 angehenden Sozialversicherungsangestellten haben erforscht, wie sich Armut in Halle damals definierte, wie viele Menschen ohne eigenes Einkommen es gab, woher die Unterstützung für sie kam. "Die Sozialversicherung ist heute so selbstverständlich. Wir haben beleuchtet, welche Bedeutung Armut früher hatte", sagt Projektteilnehmerin Stefanie Klier, die genau wie ihre Mitschüler mit Elan dabei war.

Um auf die Idee des Projekts zu kommen, musste Berufsschullehrer Hans-Dieter Grimm nicht lange überlegen: Die List-Schule am Waisenhausring liegt auf dem Gelände des früheren Bauhofs der Stadt, auf dem im 17. Jahrhundert das städtische Almosen ausgezahlt wurde. Warum gerade der Bauhof der Vorgänger des Sozialamtes war, das konnten weder die Schüler herausfinden, noch die Historikerin Andrea Thiele, die das Projekt begleitete: "Vielleicht, um die Armen aus der Stadt herauszuhalten." Denn der Bauhof lag außerhalb der Stadtmauern.

Auf die Spurensuche haben sich die Schüler im Stadtarchiv gemacht, wo sie unter anderem Listen von Almosenempfängern aus dem 17. Jahrhundert studierten. Isabella Ludwig, Maria Misteki und Saskia Bleisegel haben im Münzkabinett der Moritzburg geforscht und dort eine Sammlung von Almosenpfennigen bei Kurator Ulf Dräger entdeckt. Sie stammen aus einem Fund bei Holleben, der 1955 entdeckt worden war. "Auch in der Moritzburg wurden die Pfennige geprägt", sagt Isabella Ludwig. Täglich, so hat die Gruppe herausgefunden, wurden drei Pfennige an Arme ausgegeben. Wie viel das genau wert war, könne man nicht sagen - Inflation, Geldentwertung und schwankende Wirtschaftskraft macht da eine konkrete Aussage schwer.

Klar wurde jedoch, woher das Geld neben kirchlichen Sammlungen kam: "Überall in der Stadt, auch in Gasthäusern, waren Almosenbüchsen aufgestellt", hat Franziska Rilke in ihrer Gruppe recherchiert. Diese metallenen Truhen seien durch mehrere Schlösser gesichert gewesen, sodass immer nur mehrere Personen gemeinsam - mit den passenden Schlüsseln - das Geld entnehmen konnten.

In den nächsten Wochen werden die Schüler ihre Forschungen weiter auswerten. Anfang Juli sollen sie in der List-Schule präsentiert werden. "Wenn wir genügend Sponsoren finden, wollen wir die Ergebnisse in einem Heft zusammenfassen und anderen Schülern als Klassensatz zur Verfügung stellen", so der Projektleiter Hans-Dieter Grimm.