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Esel trainieren für Auftritt

Von Heidi Pohle 16.03.2006, 17:24

Halle/MZ. - Im vergangenen Jahr zum Beispiel blieb er einfach stehen. Rührte sich nicht vom Fleck. Charly, so heißt das Grautier, sollte eigentlich seinem sagen-haften Vorbild nacheifern und Körbe voller Rosen in den Saal des neuen theaters tragen. Doch weiter als bis zum Eingang ging er nicht. Da half kein Schieben und gutes Zureden. Charly bockte, wollte partout nicht weitergehen.

"Esel sind nicht bockig", verteidigt Christiane Heidt ihren Schützling. Die Reviertierpflegerin im halleschen Zoo kennt die sieben Zoo-Esel genau, sind doch die meisten in Halle geboren. Das seien sehr kluge Tiere, klüger noch als Pferde. "Was Menschen für störrisch und stur halten, ist ihr Instinkt, vorsichtig zu sein", erzählt sie. Da Wildesel in steinigen Wüsten leben, dürfen sie nicht in Panik geraten. Statt dessen bleiben sie stehen, wenn ihnen etwas nicht geheuer erscheint, prüfen die Situation und suchen in Ruhe einen sicheren Weg. So sei es auch bei Charly gewesen, dem im Saal etwas nicht geheuer vorgekommen sein muss - die vielen Menschen, Blitzlichter, der Beifall... Wer weiß.

In diesem Jahr nun soll Eselin Lena über Rosen laufen. Damit sie das in diesem Jahr fehlerfrei macht, wurde mit ihr und den anderen Eseln - zu Ersatzzwecken - trainiert. "Wir wollen den Tieren die Scheu vor ungewohnten Dingen nehmen", sagt Christiane Heidt.

Und so zieht sie denn ab und an mit den sieben Grautieren, jedes geführt von einem Azubi, durch den Zoo. Eine Station dabei ist das neue Reptilienhaus. Aber nicht die Krokodile sind das Problem für Charly und Co., sondern ein simpler Plaste-Vorhang am Eingang. Freddy, mit 23 Jahren der älteste Esel, spitzt kurz die Ohren, guckt sich um, bleibt stehen - und läuft vorsichtig rückwärts. Erst im zweiten Anlauf überwindet das Tier das Hindernis. Auch Charly hält vor dem Vorhang an, geht aber nach gutem Zureden weiter. Mit Gewalt, so Pflegerin Heidt, ginge gar nichts bei den Eseln. Also heißt es locken, loben und mit Leckerli belohnen. Und immer wieder üben.

Die Esel mögen diese Ausgangsstunden. Laufen, einer hinter dem anderen, durch den Zoo - bergauf und bergab, steigen Treppen, würden am liebsten auch mal galoppieren, was natürlich nicht geht, wenn man an einer dicken Leine geführt wird. Manchmal scheuen die Tiere vor Kanaldeckeln, Papierkörben oder einfachen Stufen, brauchen lange, ehe sie das Hindernis passieren. Dann wiederum meistern sie ihre Aufgabe, als hätten sie nie anderes gemacht.

Wie zum Beispiel im Raubtierhaus. Während Tiger und Löwen mit gierigen Augen auf die vermeintlich leichte Beute schauen, fauchend und brüllend gegen die Glaswand springen, trotten die klugen Esel ganz gelassen an den Käfigen der Raubtiere vorbei, so, als wüssten sie genau, dass ihnen nichts passieren kann. Christiane Heidt ist zuversichtlich, dass Lena nach all den Übungsstunden ein guter Rosen-Esel ist. Aber da man bei den Grautieren ja nie genau weiß, wie sie reagieren, bringt sie vorsichtshalber noch Charly mit.