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Eine ganze Nacht im Wartesaal

Von Simon Steger 14.04.2008, 15:38

Halle/MZ. - Die Mitglieder des Jugendklubs der Kulturinsel haben unter Leitung von Yves Hinrichs selbst ein Drehbuch entwickelt, das die Geschichten derer erzählt, die vom Tage übrig geblieben sind und nun im Flackern des Neonlichts zusammensitzen. Es geht dabei um die großen Themen wie Freundschaft, Sehnsucht, Hoffnung, Liebe und - natürlich - die Suche nach dem Glück.

Da ist etwa der Maurer, ein verkannter Philosoph, der Martini liebt, aber kein Bier trinkt und deswegen von seinen Arbeitskollegen gemieden wird. Oder der dealende Banker, im Umgang mit seiner Umwelt ein richtiger Fiesling (diesen Menschen muss man einfach nicht mögen!), der vom neuen Porsche Cayenne schwärmt, jedoch nur einfacher Benutzer der öffentlichen Verkehrsbetriebe ist.

Auch andere wären froh, würde jemand die Welt anhalten: Die Kellnerin kurz nach Dienstschluss, die während ihrer Schicht vier primitiven Typen ("Wie nennt man in Ostdeutschland eine hübsche Frau? - Touristin") Ur-Krostitzer auftischen musste und sich mit einer üblen Chili-con-Carne-Eigenkreation gerächt hat. "Auf was für einem beschissenen Planeten leben wir eigentlich?" fragt sie genervt.

Die Jung-Darsteller, auf die etwa im Fall von Moritz Gottwald die Schauspielschule in Berlin wartet, glänzen mit eindrucksvoller Darbietung. Die vier weiblichen und sechs männlichen Spieler palavern, singen und tanzen auf der Bühne; sie schreien sich dann und wann den Frust von der Seele und knallen den Deckel des herumstehenden Mülleimers ein-, zweimal zu, um ich nächsten Moment wieder um Beherrschung zu ringen. Die Dialoge - durchtränkt von jugendlichem Übermut - schwanken zwischen wohltuendem Nonsens und ernsthafter Diskussion um Sinn und Unsinn des Lebens. Damit sorgen sie für herzhafte Lacher im Publikum.

Die Musik verleiht dem Stück zusätzlichen Schub, etwa wenn der Frauenchor Moloko's "The Time Is Now" intoniert oder das ab Band eingespielte "Outa Space" von The Prodigy die Choreografie untermalt. Aufspielen dürfen natürlich auch Figuren wie der albanische Oboenspieler oder ein hoffnungsvoller Nachwuchssänger und Gitarrist, der von den Bühnen dieser Welt träumt, sich jedoch auf der Bahnhofstoilette beinahe mit einem Medikamenten-Cocktail ins Jenseits bugsiert.

Die Nacht scheint endlos. Dreimal fährt ein Zug in den Bahnhof ein, lässt die müden Seelen einen kurzen Moment hoffen, doch immer fährt er ohne Halt durch. Als bei Tagesanbruch draußen endlich der Bus hält, haben zwei längst versucht, sich auf das Abenteuer Liebe zu begeben. Doch da hatte jemand etwas dagegen.

Weitere Aufführungen am Mittwoch, Donnerstag und Freitag, jeweils 20 Uhr, auf der Kulturinsel. Karten unter Tel: 0345 / 2050 222.