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MZ-Serie „Lebenswege“ Halle und die Wende 1990: Das verspricht sich die Stadt vom neuen Zukunftszentrum

Ende September hat ein Kurier der Stadt die Bewerbungsunterlagen für das neue Zukunftszentrum des Bundes abgegeben. Im Interview erzählen Bürgermeister und Stadtmarketing-Chef, warum Halle auf den großen Wurf hofft.

Von Dirk Skrzypczak Aktualisiert: 21.11.2022, 15:16
Halle setzt auf den Riebeckplatz als Standort für das geplante Einheitszentrum: Blick auf die Unterführung am Verkehrsknoten.
Halle setzt auf den Riebeckplatz als Standort für das geplante Einheitszentrum: Blick auf die Unterführung am Verkehrsknoten. (Foto: Silvio Kison)

Halle (Saale)/MZ - Sicher ist sicher: Zwei Kuriere hat die Stadt Halle am Freitagmorgen auf unterschiedlichen Wegen nach Cottbus geschickt. Bis 14 Uhr mussten dort im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung die Bewerbungsunterlagen für das geplante „Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ abgegeben werden.

10.30 Uhr war der erste Bote da. „Wir haben eine wichtige Etappe geschafft und werden das Tempo bis zur Entscheidung hochhalten“, sagt Mark Lange, Chef des Stadtmarketings. Für die MZ hat Dirk Skrzypczak mit ihm und Bürgermeister Egbert Geier (SPD) über die Bewerbung Halles gesprochen.

Daumen hoch für Halle (von rechts): Bürgermeister Egbert Geier, Sabine  Odparlik vom Dienstleistungszentrum Wirtschaft und Stadtmarketing-Chef Mark Lange.
Daumen hoch für Halle (von rechts): Bürgermeister Egbert Geier, Sabine Odparlik vom Dienstleistungszentrum Wirtschaft und Stadtmarketing-Chef Mark Lange.
Dirk Skrzypczak

Herr Geier, mit Besucherzahlen bis zu einer Million Gästen pro Jahr soll das Zukunftszentrum in die Champions League des Tourismus aufsteigen. Ist nur das reizvoll?

Egbert Geier: Natürlich sind die Besucherzahlen wichtig. Doch das ist nur ein Aspekt. Es geht auch um das Renommee. Wissenschaftler werden sich mit drängenden Zukunftsfragen beschäftigen und Antworten suchen. Das würde den ohnehin schon exzellenten Wissenschaftsstandort Halle weiter aufwerten.

Noch immer ist vielen Menschen nicht klar, was sie mit dem Zentrum erwartet. Was erwarten Sie denn, Herr Geier?

Ein lebendiges Begegnungszentrum. Es wird natürlich eine Ausstellung zur Wendezeit geben. Das zweite große Thema ist die Transformation. Das klingt sperrig, spiegelt aber die Veränderungen wider, die durch die Deutsche Einheit in Gang gesetzt worden sind. Und diese Transformation wird gepaart mit den Herausforderungen, vor denen wir stehen: den Klimawandel etwa oder nachhaltiges Wirtschaften.

Halle will - bei einem Zuschlag durch den Bund - das Einheitszentrum am Riebeckplatz bauen.
Halle will - bei einem Zuschlag durch den Bund - das Einheitszentrum am Riebeckplatz bauen.
Darstellung: Büttner/dpa

Herr Lange, als Marketingexperte haben Sie sicher 1.000 Ideen, die umsetzbar wären, sollte der Zuschlag an Halle gehen. Nehmen Sie uns in ihre Gedankenwelt einmal mit.

Mark Lange: Halle hat sich unglaublich gut entwickelt. Aber wir neigen dazu, nur das zu sehen, was nicht fertig ist. Neben der enormen Strahlkraft des Zukunftszentrums nach Europa hätten wir die Chance, am Riebeckplatz ein neues Quartier zu entwickeln – mit Investitionen, die wir in Halle in dieser Dimension noch nicht erlebt haben. Jeder könnte die Transformation täglich beobachten. Gemeinsam mit dem RAW-Gelände würde sich der gefürchtete Verkehrsknoten zu einem modernen Viertel mit Wohnen, Entertainment, Kultur und Wissenschaft wandeln.

Herr Geier, Sie sind ein Wessi. Das Zentrum soll die Lebensleistung der Ostdeutschen würdigen – auch vor 1990. Wie haben Sie die Aufbruchzeit nach der Wende erlebt?

Die Menschen in Ostdeutschland haben einen enormen Wandel vollzogen. Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen, denn ich bin 1991 in die neuen Bundesländer gekommen. Die Menschen hier wurden mit grundsätzlicheren Themen konfrontiert als im Westen. Die Städte und vor allem die Menschen haben sich flexibel entwickelt. Vom Osten kann man heute auch im Westen lernen.

Herr Lange, sie versprühen so viel Optimismus, dass man glauben könnte, an Halle führt bei der Entscheidung kein Weg vorbei. Die Konkurrenz ist hart. Frankfurt/Oder wird immer wieder genannt. Worauf stützt sich Ihre Zuversicht?

Es gibt 13 harte Kriterien, die erfüllt werden müssen. Und die erfüllen wir in herausragender Weise. Wir müssen nichts zusammendichten. Wir haben eine außerordentlich gute Anbindung an das Verkehrsnetz. Wir haben schon eine international anerkannte Wissenschaftslandschaft mit dem Schwerpunkt Transformation. Wir haben Veränderungen erlebt, ich sage nur Halle-Neustadt, die andere Bewerber so nicht kennen. Wenn man alle Kriterien betrachtet, spricht das für uns.

Mitte November wird die Kommission in Halle erwartet, die im Auftrag des Bundes alle Bewerber besucht. Herr Lange, was wird bis zur Entscheidung, die wohl Ende des Jahres fällt, in der Stadt noch passieren?

Das Zukunftszentrum wird kein Elfenbeinturm. Es soll die Menschen einbeziehen. Und das machen wir schon heute mit verschiedenen Veranstaltungen. Wir wollen den Hallensern zeigen, welche einmaligen Chancen diese Investition bietet. Natürlich müssen und werden wir alle Kraft auch weiter in unsere Bewerbung investieren, um zunächst die Jurymitglieder zu überzeugen.

Herr Geier, in einem Fotoband von 1991 wird Halle als Diva in Grau bezeichnet. Noch heute denken viele nur an Leipzig, wenn man von der Region spricht. Würde Halle mit dem Zentrum aus dem Schatten seines Nachbarn treten?

Ich bin überzeugt, dass wir schon jetzt anders wahrgenommen werden. Die Performance, die wir seit dem Start der Bewerbung an den Tag legen, ist beispiellos. Das bleibt den anderen Kandidaten nicht verborgen. Dass wir große Wettbewerbe gewinnen können, zeigt die Ansiedlung von Porsche und Schuler im Star Park. Es geht aber nicht nur um Halle, sondern die gesamte Region. Alle würden von dem Zentrum profitieren.

Alle Infos zum Zukunftszentrum unter zukunftszentrum-halle.de

Das Einheitszentrum kommt streng genommen Jahrzehnte zu spät. Das neue Zentrum, für das sich Halle als Standort bewirbt, soll neben Forschungsarbeit zu europäischen Transformationsfragen vor allem die Lebensleistung der Ostdeutschen würdigen. Die MZ-Serie „Lebenswege“ greift diesen Ansatz auf.