1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Bergschuhe Marke Eigenbau

Bergschuhe Marke Eigenbau

Von Heidi Pohle 05.05.2006, 15:52

Halle/MZ. - Ende des 19. Jahrhunderts war es große Mode, in einem Alpenverein Mitglied zu sein. Und weil die Hallenser nicht länger der Leipziger Sektion angehören wollten, gründeten sie selber eine. Ein Arme-Leute-Verein war das nicht gerade; Bankier Steckner hatte viele Jahre den Vorsitz, zu den Mitglieder gehörten etliche Professoren.

So ist es nicht verwunderlich, dass schon 1897 die erste Hütte der Sektion Halle in den Alpen gebaut wurde: 1 000 Kilometer von der Heimat entfernt am Eissee-Pass (Ortler) in 3 133 Metern Höhe. Lange konnten sich die von den Alpen begeisterten Saalestädter nicht an ihr erfreuen - sie brannte im Ersten Weltkrieg ab. Trotzdem kann man in der Ausstellung noch Überbleibsel sehen: Scherben von Lettiner Porzellantellern sowie Holzbalkenreste. "Beides wurde vor ein paar Jahren unter geschmolzenem Gletschereis gefunden", erzählt Vereinsmitglied Dr. Ernst Fukala.

Über den Verein im Dritten Reich, als Juden ausgeschlossen wurden, sind keine Dokumente mehr vorhanden. Wohl aber aus DDR-Zeiten. "Da gab es Alpinismus in sozialistischer Form", so Fukala. Und die sah so aus, dass Wandern, Bergsteigen, Klettern und Orientierungslauf in Betriebssportgemeinschaften (BSG) stattfand. "Da die Alpen für uns unerreichbar waren, reisten wir eben in die Karpaten oder in den Kaukasus", erinnert sich Rolf Knoblich, 1. Vorsitzender des 1990 wiedergegründeten Vereins. Er hat zur Ausstellung sein altes, polnisches Bergzelt beigesteuert: "Der Daunenschlafsack war Bückware, also eine Kostbarkeit."

Langlaufskier aus Holz mit Plastekante, Rucksäcke sowie zum Teil über 100 Jahre alte Steigeisen und Eispickel gehören ebenso zu den Exponaten wie Bergschuhe. Ein Paar der Marke Eigenbau stammt von Dr. Gerhard Kästner, dem 2. Vorsitzenden. "Um gut ausgerüstet zu sein, mussten wir improvisieren", erzählt er. So hat er in den 60-er Jahren Schuhe mit Gamaschen verlängert - aus Material, mit dem man Stühle polsterte -, und die Spitzen mit Kappen verstärkt. Immerhin fünf Hochgebirgstouren hat er mit ihnen absolviert.

Heute gehören dem Verein rund 750 Mitglieder an, die es natürlich nach wie vor in die Alpen zieht - aber auch in die Berge der Welt.

Die Schau geht bis 2. Juli (die-so 10-17 Uhr). Am 13. Mai gibt es um 17 Uhr eine Führung.