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Anwaltskosten im Wiegand-Prozess Anwaltskosten im Wiegand-Prozess: Ein kostspieliges Verfahren

Von Jan-Ole Prasse 11.02.2015, 12:24
OB Bernd Wiegand
OB Bernd Wiegand Bauer Lizenz

Halle (Saale) - Einen Tag nach dem Freispruch ist Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) wieder zum politischen Alltagsgeschäft übergegangen. Am Dienstagmorgen leitete er die Beigeordnetenkonferenz - ohne ein Wort über den Prozess zu verlieren. Doch vollkommen ausgestanden ist das Verfahren noch nicht. Die Staatsanwaltschaft hat bis kommenden Montag die Möglichkeit, Revision einzulegen. „Wir werden bis zum Ende der Woche eine Entscheidung treffen“, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Jörg Wilkmann auf MZ-Anfrage. Sollte sich die Anklage zu diesem Schritt entschließen, hätte sie nach der schriftlichen Urteilsbegründung einen Monat Zeit, einen ausführlich begründeten Antrag auszuarbeiten. Am Ende würde darüber der Bundesgerichtshof entscheiden. Erst danach wäre der Freispruch für Wiegand rechtskräftig.

Doch für den 57-Jährigen ist auch finanziell mit dem Verfahren nicht alles ausgestanden. Zwar gilt bei einem Freispruch, dass der Staat die Kosten des Prozesses sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten übernimmt. Doch darunter fallen bei weitem nicht alle Ausgaben Wiegands. „Grundsätzlich bekommt der Angeklagte nur die Auslagen für einen Strafverteidiger ersetzt“, sagte der Strafrechtsprofessor der Uni Halle, Christian Schröder. Da Wiegand aber mit den beiden Strafverteidigern Michael Nagel und Jan Schlösser sowie dem Arbeitsrechtler Ralph Heiermann drei Anwälte in seinem Team hatte, muss der OB einige Ausgaben selbst tragen.

Die Stadtratsfraktion von CDU und FDP will zwei Beratungsverträge zwischen Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) und der Anwaltskanzlei Moeskes aus Magdeburg vom Rechnungsprüfungsamt überprüfen lassen. Ein entsprechender Antrag soll Ende Februar im Rechnungsprüfungsausschuss des Stadtrates beraten werden.

Bei den Verträgen geht es um zwei außergerichtliche Beratungen für zusammen 32 850 Euro aus dem Jahr 2013. Auftrag sei es gewesen, Gutachten zu den personellen Veränderungen in der Stadtverwaltung zu erstellen. Wiegand hatte kurz nach seinem Amtsantritt am 1. Dezember 2012 das Rathaus umstrukturiert und dabei mehrere Amtsleiter versetzt.

CDU und FDP wollen insbesondere wissen, wie die Leistungen der Anwaltskanzlei in der Verwaltung dokumentiert worden sind und ob es inhaltliche Überschneidungen bei den beiden Beratungsverträgen gegeben habe. Die Fraktion zweifelt daran, dass in der Verwaltung entsprechende Leistungsnachweise der Kanzlei vorlägen. „Es stellt sich für uns die Frage, wie die Honorarforderungen überhaupt hinsichtlich ihrer sachlichen Richtigkeit geprüft werden konnten und eine berechtigte Überweisung der Honorare vorgenommen werden konnte“, heißt es in dem Antrag.

Auch der Erstattungsbetrag für den einen Verteidiger ist gedeckelt. Er richtet sich nach dem Gebührengesetz für Rechtsanwälte. Allerdings können die wirklichen Kosten deutlich darüber liegen, wenn ein Honorarvertrag vereinbart worden ist. „Trotz des Freispruchs können erhebliche Kosten beim Angeklagten verbleiben“, sagte Strafrechtsprofessor Schröder. Gerade in sehr langen Verfahren - der Prozess gegen Wiegand dauerte 24 Verhandlungstage - könnten die sehr hoch sein. „Das zeigt, dass schon ein Verfahren strafend sein kann: Zum einen durch die öffentliche Stigmatisierung, zum anderen durch die Kosten“, sagte Schröder. Wiegand wollte sich mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht zu seinen Anwaltskosten äußern.

Auch die Kosten des Prozesses dürften am Ende deutlich höher sein, als der überhaupt angeklagte Schaden. Der Vorsitzende Richter Helmut Tormöhlen hatte gestern in seiner Urteilsbegründung den möglichen Schaden für die Stadt wegen der Gehälter der drei Mitarbeiter noch einmal deutlich reduziert. Statt der von der Anklage angenommen 290 000 Euro bis zum Ende von Wiegands Amtszeit, ging die Kammer von rund 70 000 Euro aus. „Es wäre aber falsch, einen Strafprozess ökonomisch zu bewerten. Der Rechtsstaat kostet nun einmal Geld“, sagte Schröder. Unterdessen wird im Stadtrat noch geprüft, wie mit dem laufenden Disziplinarverfahren gegen Wiegand wegen der Einstellung seiner drei Mitarbeiter umzugehen ist. Der Vorsitzende Hendrik Lange (Linke) hatte angekündigt, dazu erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung abwarten zu wollen. (mz)