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Andreas Freyer Andreas Freyer: Leben wie in einer Skulptur

Von Detlef Färber 03.08.2004, 17:52

Krosigk/MZ. - Der eine braucht sein schöpferisches Chaos, der andere schafft sich ein kleines Zauberschloss, um dort seine volle Kreativität zu entfalten. Fast immer hat es etwas Besonderes auf sich - mit jenen Orten, wo Kunst entsteht. Doch zweifellos das ungewöhnlichste Atelier aller hiesigen Künstler gehört dem Metallgestalter und Bildhauer Andreas Freyer.

Seit reichlich zwei Jahrzehnten lebt und arbeitet der 51-Jährige in der romanischen Dorfkirche im Krosigker Ortsteil Kaltenmark. Das zuvor schon länger ungenutzte Gotteshaus hatte er - gemeinsam mit einem Kollegen - nach dem Studium an der halleschen Kunsthochschule Burg Giebichenstein gekauft, in mühevoller Kleinarbeit vor dem Verfall bewahrt und Stück für Stück nutzbar und bewohnbar gemacht. So sind im Kirchenschiff, dort wo einst die Bänke standen, nun ein Schmiedefeuer samt nachträglich eingebautem Schornstein und eine Reihe schwerer Maschinen und Geräte zur Metallverarbeitung installiert. Am einstigen Ort der Andacht und Stille wird nun gehämmert und gestanzt.

Und doch scheint die Weihe dieses nicht mehr geweihten Ortes noch wirksam zu sein. Andreas Freyer trägt sie mit vielen seiner Arbeiten nach draußen - freilich auf seine ganz spezielle Weise. So hat der Pfarrerssohn aus dem Brandenburgischen zuletzt mit einem fast schon schrill-farbigen Holz-Altar für die hallesche Heilig-Kreuz-Kirche zunächst viel Irritation, dann aber mehr und mehr staunende Reaktionen hervorgerufen.

Und um ein Haar wäre sein Entwurf für ein in alle Richtungen spiegelndes Altarkreuz aus Edelstahl realisiert worden, das er für den Magdeburger Dom konzipiert hatte. Doch letztlich sei dieser ausgefallenen Idee dann doch ein konventionellerer Entwurf vorgezogen worden. "Künstlerpech" - sagt Freyer.

Doch wer meint, der Hausherr würde sich thematisch überwiegend von seiner Kirche inspirieren lassen, der irrt. Auch von seiner Metallkunst entfernt sich der gelernte Gürtler gern und immer öfter. Dann macht er die ganz verrückten Sachen: wie die Installation am Bahnhof in Meißen, wo er auf den Dächern bunte Luftsäcke montierte, die bei der Einfahrt jedes Zugs aufgeblasen wurden. Oder er arbeitet in Halle an der "Spur der Steine" für die Silberhöhe - drei großflächigen Kreisen: einem aus Bäumen, einem als buntes Beet und einem als runder Teich. Damit sollen die Abrissflächen in der Trabantenstadt sozusagen kultiviert werden. Doch für Freyer bedeutet das ehrgeizige Projekt mehr: "Was wir da machen an Kunst im öffentlichen Raum - das muss Kult werden", sagt er.

Kultur als Kult - das ist eine der Botschaften, die der durchaus auch in spirituellen Dimensionen denkende Künstler täglich seinem altehrwürdigen Gemäuer ablauscht. Das muss er schon deshalb, weil seine Kirche nicht gerade das praktischste Gebäude ist. "Ich lebe hier wie in einer Skulptur", sagt Freyer und schaut durch das verglaste Kirchendach in seinen wildromantischen Garten hinunter, in dem einige uralte, windschiefe Grabsteine daran erinnern, dass hier einst der Friedhof des Dorfes war. Nur im Winter, wenn er den hohen Kirchenraum - der seine Werkstatt ist - beheizen muss, hadert Freyer mitunter mit dem Hauskauf von einst.

Doch meist hadert er nicht lange. Dann packt der umtriebige Künstler seine Sachen und fliegt für zwei Monate auf die andere Seite der Welt: auf der Jagd nach neuen Inspirationen - und dem Sommer hinterher.