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Amtsgericht Amtsgericht: Nähe zu Kindern ging Richterin zu weit

Von Eike Käubler 20.09.2001, 17:39

Halle/MZ. - Gestern Mittag am Amtsgericht: Mit Kopfschütteln nimmt Thomas B., der Chef der halleschen Streetworker, das Urteil entgegen. Soeben hat ihn Richterin Martina Leske wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern zu einer Geldstrafe verurteilt.

Mit dem Strafmaß von 80 Tagessätzen zu 80 Mark schloss sich das Gericht weitgehend der Forderung des Staatsanwalts an, der 120 Tagessätze gefordert hatte. B. hingegen, der bis zuletzt alle Vorwürfe kategorisch bestritten hatte, zeigte sich empört. "Diese Rechtsauslegung verstehe ich nicht. Ich werde Berufung einlegen", so der 41-Jährige nach der Verhandlung.

Für das Gericht war es ein komplizierter Fall. Zu urteilen galt es nicht über ein schweres Sexualverbrechen, etwa eines Pädophilen. Zu beurteilen war vielmehr eine Betreuungssituation auf einem Spielplatz vor dem ehemaligen Jugendklub "Eule" im Juni vergangenen Jahres. Zeugen wollen beobachtet haben, wie B. zwei Kinder an intimen Stellen berührte und auf Wange oder Mund küsste.

Dies sah das Gericht aufgrund mehrerer gleich lautender Zeugenaussagen - auch der beiden betroffenen sieben- und achtjährigen Mädchen - als erwiesen an. Ein Tatvorsatz jedoch konnte nicht nachgewiesen werden. "Darum geht es aber auch gar nicht", sagte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Denn der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs sei aus objektiver Sicht erfüllt. Auch wenn dem Angeklagten keine sexuelle Motivation zu unterstellen sei.

Juristisch handle es sich um ein so genanntes "abstraktes Gefährdungsdelikt", so Richterin Leske weiter. "Der Gesetzgeber will Kinder strikt vor frühzeitigen sexuellen Erfahrungen schützen." Mit seiner körperlichen Nähe sei der Angeklagte entschieden zu weit gegangen, was auch die Kinder gespürt hätten. "Wer ein Kind erst vier Stunden kennt, muss es zum Abschied nicht küssen." Leske zum Angeklagten: "Da fehlte Ihnen jegliche professionelle Distanz."

Ob Thomas B. weiter als Sozialarbeiter für das Jugendamt arbeiten darf, ist unklar. Pressesprecherin Ria Steppan sagte auf MZ-Anfrage: "So lange uns kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, geben wir keinen Kommentar dazu ab."