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Albert Osterloh aus Halle Albert Osterloh aus Halle: Was ein Christbaum-Verkäufer im Sommer zu tun hat

Von Anne Schneemelcher 24.08.2015, 08:36
Albert Osterloh überlässt nichts dem Zufall, wenn es um Weihnachtsbaum geht.
Albert Osterloh überlässt nichts dem Zufall, wenn es um Weihnachtsbaum geht. Silvio Kison Lizenz

Halle (Saale) - „Ja, bis Weihnachten ist nicht mehr viel Zeit“, sagt Albert Osterloh im Hochsommer und meint das ernst. Der Rentner verbringt auch am heutigen 24. August eine Menge Zeit mit „snippen“ und Baumspitzenbearbeitung. Denn was wäre das besinnliche Fest ohne den perfekten Baum? Schöne Blaufichten und Nordmanntannen gibt es aber nur, wenn Osterloh seine angepflanzten Bäume auf einem ehemaligen Bergwerksgelände in der Frohen Zukunft auch im Sommer nicht aus den Augen lässt. Doch die Arbeit geht dem Hallenser in diesem nicht so leicht von der Hand wie sonst. Vor wenigen Wochen verlor er seinen Sohn, mit dem er sich sonst um die Bäume kümmerte, durch einen Unfall.

Doch es muss weitergehen. Osterloh passt auf, dass die Baumspitzen nicht zu lang werden, schief wachsen oder gar mehrere Triebe eine Doppel-Baum-Spitze bilden. Die schönsten Bäume werden dann in der Adventszeit gekauft - in der Regel etwa 150 Stück für je knapp 20 Euro.

Im Sommer die meiste Arbeit

Seit fast 20 Jahren verkauft Osterloh Christbäume, die meiste Arbeit hat er im Sommer. Der ehemalige Geschäftsführer der Saale-Obst Erzeugungs- und Absatzgenossenschaft hat sich nach Feierabend auch schon zu DDR-Zeiten etwas dazuverdient. Erst waren es Äpfel, dann Tannen- und Fichten. Doch damit wird es bald vorbei sein, denn der gebürtige Halberstädter wird keine neuen Bäume pflanzen und sogar die jungen fällen. Erstmalig will Osterloh im Dezember Mini-Fichten zum Verkauf anbieten. Die sind gerade einmal drei Jahre alt und wurden noch von seinem Sohn gepflanzt, mit dem er seit Jahren das Weihnachtsbaum-Geschäft führte. Mit knapp 80 Jahren will Osterloh aber nicht warten, bis die Bäume 2018 für den Verkauf groß genug sind - dafür habe er allein nicht die Kraft. Wäre sein Sohn noch da, stünde das nicht zur Debatte. Über das Unglück will Osterloh nicht öffentlich reden. Aber er macht sich Gedanken über die Zukunft: „Was ist, wenn mir auch etwas zustößt? Dann hat meine Frau, die Verantwortung für das riesige Grundstück mit den Weihnachtsbäumen. Das möchte ich nicht“, sagt Osterloh.

Etwa ein Hektar groß ist das Grundstück, auf dem die Bäume sprießen. Mit einer Heckenschere, kleinen Stäbchen und Kabelbindern geht es für den Rentner im Sommer hoch und runter auf dem Gelände. An manchen Baum-Spitzen sind schmale Stäbchen mit dem besagten Kabelbinder befestigt. Das ist wichtig, sonst gibt es krumme Spitzen, sagt er. Denn wenn keine oberste Senkrechte wächst, sich ein sogenannter Hocker gebildet hat, wird ein Seitentrieb am Stäbchen hochgebunden - fertig ist die Ersatz-Spitze. Davon sollte es möglichst nur eine einzige geben, die darüber hinaus nicht länger als 25 Zentimeter ist.

Ein idealer Christbaum darf nicht zu hoch, zu breit oder zu schlank sein - rund ist wichtig“, weiß Osterloh. Er sollte eine pyramidenmäßige Form haben, denn sonst passt er nicht ins Wohnzimmer zwischen Anbauwand und Sofa-Tisch.

Holländische Schneid-Technik

Dafür „snippt“ Osterloh die Bäume. Die holländische Schneid-Technik wird noch nicht von vielen betrieben, sagt er. Wenn die Zweige untenrum zu lang werden, mäkeln die Käufer, weil ihnen dafür der Platz fehlt. Beim „snippen“ schneidet man deshalb die oberen Zweige im unteren Drittel ab, weil die darunter liegenden langsamer wachsen und die Baum-Pyramide dadurch eine schönere Form erhalte. „Das ist schon ganz schön viel Arbeit für einen allein“, sagt der Rentner, der nebenbei auch noch um die hundert Bäume fällen muss. Schuld daran ist die Sitka-Fichtenlaus, die auch in den Vorgärten der Nachbarschaft nicht Halt gemacht hat.

Rötliche Zweige, die nach und nach absterben sind das Resultat, wenn die Fichtenlaus einen Baum befallen hat. Der Schädling sei zu allem Überfluss auch nicht mehr bekämpfbar, wenn er einmal im Baum sitzt. Dann hilft nur noch Fällen, sagt der 79-Jährige. Wegen des milden Winters sei die Population der sogenannten Sitka-Fichtenlaus in diesem Jahr besonders hoch. Vorzugsweise macht es sich die Laus in Blaufichten bequem. Zwar kommen neue Triebe nach, jedoch nicht an den befallenen Stellen, weiß der Nadelbaum-Experte. Das sei ihm in den letzten 20 Jahren nicht passiert.

In etwa vier Monaten wird das Grundstück von Osterloh in der Frohen Zukunft wieder überrannt werden. Auf den Trubel freut er sich, auch wenn es anstrengend werden wird. „Dann markieren die einen wieder mit ihrem Schlüssel einen Baum, suchen mich und finden das gute Stück samt Schlüssel nicht wieder“, sagt er mit einem Lachen. „Das ist manchmal ein Riesenspaß.“ Doch Osterloh hat sich entschieden und wird keine neuen Bäume pflanzen. Dann hat er mehr Zeit, sich seinem zweiten Hobby zu widmen - der Geschichte. Für Mötzlich erforscht der Rentner ehrenamtlich die Historie rund um das KZ-Außenlager Birkhahn in der Nähe des Goldbergs. Er hält Vorträge und hilft Verwandten von Betroffenen, die Geschichte aufzuarbeiten.

Gardemaß: die ideale Spitze
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Eine überaus starke Population an Fichtenläusen setzt den Bäumen in diesem Jahr zu.
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