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So klingt Luther Oratorium über Martin Luther von Joachim Brust wird uraufgeführt

Von Julius Lukas 02.10.2017, 10:00
Der Musikmeister und der Reformator: Joachim Brust auf dem Marktplatz in Eisleben vor dem Denkmal Martin Luthers, zu dessen Ehren er ein Oratorium schrieb.
Der Musikmeister und der Reformator: Joachim Brust auf dem Marktplatz in Eisleben vor dem Denkmal Martin Luthers, zu dessen Ehren er ein Oratorium schrieb. Andreas Stedtler

Eisleben - Als der Chor gerade zur nächste Lied-Passage anheben will, haut Joachim Brust dazwischen. Seine Hand schneidet horizontal durch die Luft. Alles ist ruhig. „Das ist zu harmonisch“, ruft Brust den Männern und Frauen zu, die in fünf Stuhlreihen vor ihm sitzen. „Luther will hier Protest gegen das Papsttum ausdrücken - das kann nicht melodisch und nett klingen“, sagt der Dirigent und macht es dann selbst vor: „Sie lehren eitel falsche List“, singt Brust so inbrünstig, als wolle er mit jedem Wort dem Papst höchstpersönlich an den Kragen. „Noch einmal bitte“, sagt der 61-Jährige dann. 55 Münder folgen seinem Befehl.

Es ist Montagabend in der Aula des Eisleber Luther-Gymnasiums, die letzte Chor-Gesamtprobe für eines der bemerkenswertesten Musikprojekte in Mitteldeutschland: das Luther Oratorium. Geschrieben von Joachim Brust. Sieben Jahre hat der Dirigent am Sound des Reformators gefeilt. Am 3. Oktober wird das Stück für Chöre, Solisten und Orchester, an dem über 70 Musiker mitwirken, in der Eisleber Andreaskirche uraufgeführt - an jenem Ort also, wo Martin Luther das letzte Mal vor seinem Tode 1546 predigte.

Das Oratorium ist ein musikalischer Ritt durch das Leben und Wirken des Reformators. „Als ich vor sieben Jahren anfing, hätte ich nicht gedacht, dass das mal ein abendfüllendes Musikereignis wird“, sagt Brust. 2010 habe er sich nur mit Luther etwas intensiver befassen wollen. „Als gebürtiger Eisleber begleitet mich dieser Mann ja schon mein ganzes Leben.“

Bei seiner Beschäftigung mit dem Reformator gelangte er auch zu der Szene in Worms. Luther sollte dort 1521 vor dem Kaiser seine Schriften widerrufen. Er erbat sich einen Tag Bedenkzeit. „In der Nacht plagten ihn Ängste“, erzählt Brust.

Luther haben gewusst, dass sein Besuch in Worms auch schiefe gehen könne, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass man ihn festnehme und töte. „Ich überlegte mir, wie diese Nacht denn klingen könnte“, sagt Brust. Er beginnt zu komponieren, fühlt sich in die Situation hinein. Düstere Klänge entstehen, abgründig und rau. Es ist der erste Abschnitt des Oratoriums, den er in Noten gießt.

Oratorium über Martin Luther: Texte des Reformators als Grundlage

Brust arbeitet sich in den folgenden Jahren durch das fast unerschöpfliche Reservoir von Luther-Texten und Luther-Literatur. Wie tief er dabei in die Welt des Reformators abtauchte, merkt man, wenn man mit ihm über sein Werk spricht. Zu jedem Satz entspinnt sich bei Brust ein eigener Geschichtsfaden. Um historische Zusammenhänge zu erklären, setzt der Dirigent dabei gerne mal 100 Jahre vor dem eigentlichen Ereignis an. Luther ist eben eine komplexe Gestalt.

Für Brust bestand die Aufgabe allerdings nicht allein darin, den Reformator zum Klingen zu bringen. Er setzt auch den Text, den Chor und Solisten singen, zusammen. So entstand ein Puzzle aus Gedicht-Fetzen, Lieder-Zeilen und Schrift-Schnipseln. 152 Seiten lang. Sogar ein Satz aus der Online-Enzyklopädie Wikipedia kommt darin vor: „Dieser Satz fasste drei Thesen von Luther so gut zusammen, dass ich ihn gleich übernommen habe“, sagt Brust.

Bei den 95 Thesen, die Luther 1517 an die Wittenberger Schlosskirche nagelte, ist auch die Probe angelangt. Sopran und Alt, Tenor und Bass breiten einen üppigen Klangteppich in der Eisleber Aula aus.

Doch Brust hebt wieder die Hand. Alles verstummt. „Bitte“, sagt der Dirigent. „probiert den Dialekt wegzulassen - es heißt nicht: Sülber ouder Guold.“ Die Sänger schmunzeln. Das Mansfeldische mache ihm schon zu schaffen, meint Brust später: „Ganz problematisch sind harte Konsonanten.“ Allerdings: „Wir reden halt den ganzen Tag über so, da ist das verständlich.“ Und ein bisschen lokale Färbung sei ja auch nicht verkehrt.

Für den Chorleiter ist das Oratoriums-Projekt auch ein Balanceakt zwischen der Perfektion, die er nach sieben Jahren intensiver Beschäftigung mit Luther erreichen will und der Leistungsfähigkeit, die ein aus mehreren Chören, Sängern und Instrumentalisten zusammengestückeltes Ensemble besitzt. „Schon beim Schreiben habe ich darauf geachtet, dass Laien das gut singen können“, sagt Brust. Er wolle ja auch keinen Experten oder anderen Dirigenten mit seinem Werk gefallen. „Es soll mit unseren Möglichkeiten machbar sein.“ Und für einen Chor, der nur einmal in der Woche probt, sei das erreichte Niveau schon beachtlich.

Oratorium über Martin Luther: Premiere am 3. Oktober in Eisleben

Trotzdem: Ein bisschen Furcht hat Brust vor dem 3. Oktober schon. „Er wird immer aufgeregter und unruhiger“, sagt seine Frau Carmen. Auch sie singt - ebenso wie mehrere ihrer zehn gemeinsamen Kinder - im Chor mit und unterstützt ihren Mann bei der Organisation des Events.

„Das Oratorium bedeutet uns extrem viel, weil es uns ja schon lange begleitet“, sagt Carmen Brust. Und obwohl die letzte Zeit, mit vielen durchgemachten Nächten, Kraft gekostet habe, sagt sie: „Ich bin überzeugt, dass sich die sieben Jahre Arbeit gelohnt haben.“ (mz)

Monatelang übte der Chor unter Leitung von Joachim Brust für die Uraufführung.
Monatelang übte der Chor unter Leitung von Joachim Brust für die Uraufführung.
Andreas Stedtler