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Stadtbegehung Stadtbegehung: Dessaus Zentrum ist nicht barrierefrei

Von DANNY GITTER 26.10.2012, 16:41

DESSAU/MZ. - Wohl dem, der gesund und gut zu Fuß ist. Dann ist der Weg vom Wörlitzer Bahnhof zum Alten Theater ein Spaziergang von vielleicht 15 Minuten. Eine gute Stunde brauchte Matthias Grombach mit seinem Elektro-Rollstuhl am Donnerstagnachmittag. Es ist zugegebenermaßen keine übliche Zeit für ihn. In der Regel kommt auch er schneller voran. Doch nahm sich Grombach ganz bewusst die Zeit, um zu zeigen, wie viele Barrieren er regelmäßig im Dessauer Zentrum meistern muss. "Es lauern viele, nicht zu unterschätzende Gefahren", so Grombach.

Ausladender Fensterrahmen

Eingeladen zu einer Stadtbegehung mit anschließender Diskussion hatte die Landtagsabgeordnete Cornelia Lüddemann. "Ich will mich informieren, wie barrierefrei meine Heimatstadt Dessau-Roßlau ist", sagt die sozialpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Sachsen-Anhalt bereitet gerade einen Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vor. Ein barrierefreies Leben für Menschen mit Beeinträchtigungen ist das große Ziel.

Menschen mit Behinderung, Engagierte aus Politik, Ehrenamt und Verwaltung scharten sich am Donnerstagnachmittag um Lüddemann und Grombach, um das Dessauer Zentrum aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen. Grombach zeigte auf, wo es gefährlich werden kann. So am Wörlitzer Bahnhof, wo ein ausladender Fensterrahmen am Gebäude für viele Vorbeigehende nur eine architektonische Zierde ist - für Grombach als Rollstuhlfahrer aber ein nicht zu unterschätzendes Hindernis.

Mühelos auf glatten Steinen

Der Weg führt weiter zum Fürst-Leopold-Carree. Auf den ersten Blick ist dort an Menschen wie Grombach gedacht worden. Eine Ebene für Rollstuhlfahrer ist zur Überwindung der Höhenunterschiede eingerichtet. Doch auf dem Vorplatz des Carrees wird es gefährlich. "Bei den Kanten kann man nach vorne wegklappen", erläutert der Mann im Rollstuhl. Die Gefahren bestehen nicht nur für Rollstuhlfahrer, sondern auch für Menschen, die mit einem Rollator unterwegs sind.

Exakt auf den glatten Steinen, die eine lange Bahn bis zur Antoinettenstraße zwischen der Kopfsteinbepflasterung ziehen, bewegt sich Grombach fort. "Kopfsteinpflaster ist eine Zumutung für uns", begründet er. Doch ist die Gasse mit glattem Untergrund viel zu schmal. Auch ist manche Platte nicht mehr richtig befestigt. "Das ist auch eine Unfallquelle für Muttis mit Kinderwagen", sieht Lüddemann Handlungsbedarf. Die Mängelliste zieht sich wie ein roter Faden durch die Stadt. Der Zugang zu den Geschäften in der Ladenzeile der Antoinettenstraße, für Leute wie Grombach unüberwindbar. Mit einer Klingel am Aufsteller vor dem Geschäft hat die dortige Apotheke eine Notlösung gefunden. Für Postgeschäfte fährt Grombach auf den Hinterhof der Hauptpost. Die Treppen sind ein zu großes Hindernis. Ihm dort hoch zu helfen, wäre auch nach seinem eigenen Ermessen für Passanten unzumutbar. Selbst viele Bankautomaten, die ebenerdig zu erreichen sind, kann Grombach nicht bedienen. "Oft reiche ich nicht an den Geldschlitz oder die Tastatur heran", erzählt er. Ohne seinen persönlichen Assistenten wäre er in vielen Alltagssituationen aufgeschmissen.

Trotz des Einsatzes moderner Niederflurbahnen hat er auch an vielen Straßenbahnhaltestellen keine Möglichkeit ein- und auszusteigen. "Ich kann nur die Haltestellen Hauptbahnhof, Junkerspark und Damaschkestraße nutzen. Überall anders ist die Schwelle zu hoch." Bei Bussen dagegen sieht er keine Probleme.

Vieles erreicht und vieles zu tun

Lüddemann ist zum Teil erstaunt über die Mängel "Die DIN-Normen- und Vorschriften sowie Gesetze für Barrierefreiheit sind eigentlich gut. Doch kommt das leider nicht immer in der Praxis an", zieht die Landtagsabgeordnete ihre Bilanz. Doch will sie auch die bisherigen kommunalen Bemühungen anerkennen. "Wir haben in dieser Hinsicht schon viel Positives erreicht. In Zukunft sollte man Barrierefreiheit viel mehr als Wirtschaftsfaktor nutzen", regt Peter Hoffmann, Mitglied im Behindertenbeirat der Stadt Dessau-Roßlau, an.