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Sich ausprobieren hilft beim Finden

Von HEIDI THIEMANN 14.10.2009, 18:10

DESSAU/MZ. - Schauspielerinnen sind die Frauen nicht, die diese Szene mit Theaterpädagogin Sandra von Holn am Mittwochvormittag proben. Und doch bestimmt Theater gerade einen Teil ihres Lebens: bei der Jobbühne Dessau-Roßlau. "Die Jobbühne ist eine durch die Agentur für Arbeit geförderte Maßnahme für Frauen", sagt Kerstin Schultz. Sie ist die Leitende Dozentin beim Innovativen Qualifizierungs- und Trainingszentrum IQZ gGmbH, das seit Mai in der Region Anhalt tätig ist. "Im norddeutschen Raum - in Meppen, Leer oder Lingen - hat die Jobbühne sehr guten Erfolg", so Schultz, die hofft, gleiches auch nach dem Abschluss des Pilotprojektes Ende November von Dessau sagen zu können.

"Das ganze Leben ist eine Bühne", erklärt die Dozentin. Die Philosophie der etwas anderen Maßnahme, die zum Ziel hat, dass die Frauen wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen können, ist von daher, "dass der eigene Auftritt mit Theatermethoden wirkungsvoller gestaltet werden kann". Deshalb gibt es spezielle Projekte, speziellen Unterricht aus dem Bereich der Theaterpädagogik, bei dem die

28 Frauen zwischen 21 und 59 Jahren neue Potentiale und Fähigkeiten entdecken können. Die ihnen helfen sollen, um potentielle Arbeitgeber von ihren Kompetenzen zu überzeugen. Unterstützt wird das durch Praktika, die bis zu acht Wochen dauern können.

24 der 28 Frauen haben bereits Praktika durchlaufen. Elke Jende war beispielsweise im Dessauer Multikulturellen Zentrum, hat geholfen Projekte mit zu entwickeln, Fördermittel zu beantragen. Noch nie habe sie vorher so etwas gemacht, "doch es ist schön, dass man sich ausprobieren kann". Einen Neustart durch die Jobbühne erhofft sich Gisela Thetmann aus Aken. 57 Jahre alt ist sie, gelernte Erzieherin, aber viel zu lange aus dem Beruf raus. Im betreuten Wohnen hat sie eine sehr gute Praktikumserfahrung machen können, hofft auf eine Arbeitsstelle. Doch nicht nur diese Hoffnung tut der 57-Jährigen gut, "auch die Gemeinschaft in der Jobbühne. Hier hilft man sich gegenseitig."

Birgit Grabowski aus Scheuder ist gelernte Verkäuferin. Vom Praktikum im Baumarkt schwärmt sie: "Es war schön, arbeiten gehen zu können und zu zeigen, was man alles kann", erzählt die junge Frau. Nun steht ihr dort Arbeit in Aussicht. Auch Bäckerin Antje Kliemannel würde gern wieder in ihrem Beruf Fuß fassen und hat ihre Bewerbungsunterlagen schon fertig gemacht. Gespräche laufen. Erfahrungen hat sie aber auf einem anderen Gebiet sammeln können und möchte sie nicht missen, als Kinderbetreuerin bei der "Kleinen Arche".

Insgesamt sechs Frauen der Jobbühne haben bereits den Sprung ins Berufsleben geschafft, bei Fünf besteht dazu gute Aussicht. Eine junge Frau hat ein Freiwilliges Soziales Jahr begonnen, eine andere mit einer überbetrieblichen Ausbildung. Zwei Frauen prüfen, ob die Gründung einer eigenen Existenz möglich ist.

Dass es aber sehr schwer ist, Arbeit zu finden, das weiß die Dessauerin Veronika Kelle seit vielen Jahren. 15 Jahre lang war die Erziehungshelferin als Horterzieherin tätig, dann kam die Wende. "Der staatlich anerkannte Erzieher fehlt mir", sagt sie. Zur Jobbühne ist sie gekommen, weil sie erhofft hatte, "mein Selbstbewusstsein zu stärken" und erzählt freudestrahlend, frei sprechen gelernt zu haben. Früher habe sie alles auf einen Zettel geschrieben und abgelesen. Dass sie das nicht mehr braucht, "ist für mich sehr gut".

Und Veronika Kelle traut sich inzwischen noch mehr: Gemeinsam mit den anderen Frauen wird sie auf einer richtigen Bühne stehen: Am 9. November macht die Jobbühne mit beim Theaterprojekt "89 jetzt!". Jede Zweite habe am Anfang gesagt, "du kannst machen, was du willst, ich gehe nicht auf die Bühne", schmunzelt Theaterpädagogin Sandra von Holn. Und ist stolz auf die Entwicklung, die die Frauen genommen haben. Mehrere Bewegungs- und chorische Szenen werden die Frauen aufführen, die Ideen und alles, was für das Stück notwendig ist, wurde gemeinsam zusammengetragen. "Wir wollen vorführen, was uns die Wende gebracht hat", sagt Karin Utikal. Sie hatte im früheren Bekleidungswerk gearbeitet, Anfang der 90er Jahre war dann Schluss. Das Rattern der Nähmaschinen und die Bewegungen der Frauen im Akkord erinnert daran.

Nicht nur die Frauen, auch Dozentin Schultz freuen sich bereits auf diese Premiere. Mit der auch ein Stück Hoffnung verbunden ist, dass das Pilotprojekt eine Fortführung findet.