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Naundorfer Kaffeetafel reicht bis zum Ortsausgang

Von HEIDI THIEMANN 12.07.2009, 16:44

WALDERSEE/MZ. - Auto- und Radfahrer recken am Sonnabendnachmittag ihre Hälse, als sie durch die Walderseer Kreisstraße kommen. So etwas haben sie ja noch nie gesehen. Und so etwas gab es in der Tat hier auch noch nie: Eine Kaffeetafel reiht sich bis zum Ortsausgang an die andere. Und hier kommen Walderseer mit ihren Nachbarn, Bekannten, Freunden, Familien und auch manchem Fremden ins Gespräch.

"Lydia, was sagst du nun", wird Lydia König gefragt, die die "Kucheneingedeckte Festmeile" organisiert hat. Und die nun glücklich ist. Denn zuvor ist sie Klinken putzen gegangen, hat die Anwohner an der Kreisstraße eingeladen, doch mal den angestammten Platz zu verlassen und stattdessen Tisch und Stühle vor dem Haus aufzubauen. "Unsere Straße bietet dafür hervorragende Möglichkeiten", meint die Kreisstraßenbewohnerin. Denn mit der langen Kaffeetafel "wollen wir für unser anstehendes Jubiläum werben".

850 Jahre Naundorf und 830 Jahre Jonitz werden in diesem Jahr gefeiert, wenn Waldersee Ende August zum traditionellen Fest einlädt. Erstmals, verrät Ortsbürgermeister Lothar Ehm, wird es dann auch einen Festumzug geben, an dem viele Walderseer mitwirken wollen. Doch bevor es am 22. August soweit ist, gilt es noch etwas Wartezeit zu verkürzen. Und das geht am besten bei einer Tasse Kaffee und leckerem selbst gebackenem Kuchen. Schließlich, weiß Lydia König, "sind die Walderseer ein kuchenverwöhntes Völkchen".

"Den hier müssen sie mal probieren, oder den oder den...", lautet deshalb die Aufforderung an vielen Tafeln. Schwarzwälderkirschtorte, Quarkkuchen. Papageienkuchen, Donauwellen mit Mohn und Pfirsich... die Auswahl ist groß und lässt das Wasser im Munde zergehen. "Fast alle machen mit", freut sich König über die Resonanz. Von mancher Familie weiß sie, dass sie extra früher aus dem Urlaub gekommen ist. Andere haben zum besonderen Anlass ihre Verwandtschaft eingeladen. Und an einigen Häusern künden auch große Plakate nebst alten Kaffeekannen auf dem Fensterbrett von der "Naundorfer Kaffeetafel" zum 850. Jubiläum.

"Wir wollen doch ins Guinessbuch der Rekorde", scherzt Günter Strzoda, der mit Familie und Nachbarn zusammensitzt. Überlegt, nein, das hat er nicht, als die Idee zum Mitmachen an ihn herangetragen wurde. "Wir sind doch hier wie eine große Familie."

Bei Rosemarie und Günter Handrich fiel die Entscheidung, die Kaffeetafel auf den Bürgersteig zu verlagern, dagegen recht spät. Nun aber sitzen sie vergnügt mit Kindern und Enkeln zusammen. Auch Sektkorken knallen, ist die Enkelin doch gerade volljährig geworden. "Im Garten können wir alle Tage sitzen, auf der Straße nicht", erklärt Günter Handrich. Früher, ja, da war das anders. Da hatte man sich vor die Haustür gesetzt, geschwatzt und auch mal einen Kaffee getrunken. Da haben die Kinder noch Federball auf der Straße gespielt. Und so genießen die Familien Handrich, Rethmann, Ditsch und Möser das besondere Straßenflair an diesem Tag.

"Wir haben sogar extra Besuch aus Rügen", ruft Klaus Schroer stolz. Bei Schroers und Müllers haben sich Oranienbaumer, Horstdorfer, Haideburger, Walderseer, Dessauer aus Nord und die Rügener eingefunden. Eben die ganze Familie. Für flotte musikalische Unterhaltung sorgt die Nachbarschaft wenige Häuser weiter. Alleinunterhalter Heinz "Lissi" Ließmann hat sein Keyboard und Lautsprecher vors Haus gestellt. "Sonst mache ich nur Hausmusik", erzählt er. "Öffentlich spiele ich sonst nie. Aber heute, das ist mal was anderes. So eine Kaffeetafel, das macht schließlich nicht jeder."

Nur dass dann der Himmel die Schleusen öffnete, war nicht so geplant. Die Naundorfer Kaffeetafel wurde also kurzerhand in Garagen, unter Vordächer und in Zelte verlagert. 850 wird der Ort schließlich nicht alle Tage.