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Kirche St. Gertrud Kirche St. Gertrud: Studenten nehmen 34 Fenster unter die Lupe

Von Yvonne Falke 18.04.2002, 12:45

Neugattersleben/MZ. - "Wer zu uns in die Kirche will, muss sich schon ganz warm anziehen", sagt Gottfried Eggebrecht, der als Pfarrer auch die Kirche "St. Gertrud" in Neugattersleben betreut. Und so ziehen Katrin Nawroth, Dunja Kielmann und Anne Kaiser zwar ihre Jacken aus, als sie die Kirche betreten. Doch darunter tragen die Frauen dicke Westen.

Auf die vorderste Kirchenbank legen die Studentinnen ihre Arbeitsgeräte. Das sind Kopflupen, wie Pfarrer Eggebrecht sie aus der Fernsehserie "Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft" kennt, und eine Dose mit Wattestäbchen.

Beides, Kopflupe und die Wattetupfer, brauchen die jungen Frauen für ihre Untersuchungen. In Erfurt studieren sie im zweiten Semester bei Professor Peter van Treeck die Restaurierung und Konservierung von Glas. Dabei räumt Frau Nawroth ein, dass sie vor einer Woche nicht einmal geahnt habe, wo die kleine Gemeinde Neugattersleben liegt. "Das mussten wir erst einmal auf der Karte suchen", lacht die Studentin. "Jetzt weiß ich, dass Kaiser Wilhelm II. hier schon war."

Der besuchte die Kirche im Jahr 1889. Und da war sie ganz neu. Pfarrer Eggebrecht ist stolz auf dieses Gotteshaus. Seine Vorfahren, so sagt er, haben beim Bau nirgendwo gespart. Da musste alles vom Feinsten sein. Die Orgel zum Beispiel habe mit Wilhelm Rühlmann einer der bekanntesten Orgelbaumeister seiner Zeit gebaut. Die 34 Bleiglasfenster lieferte Glaser Ferdinand Müller aus Quedlinburg. "Und alles in St. Gertrud", so betont der Pfarrer, "ist noch original aus der Entstehungszeit."

Die 34 Fenster in der Kirche werden derzeit noch von dem Professor und seinen Studentinnen genau unter die Lupe genommen. Die Bestandsaufnahme, so erklärt Pfarrer Eggebrecht, sei die Voraussetzung für die Restaurierung, die im nächsten Jahr erfolgen soll.

Das erste Urteil der Mädchen: Der Zahn der Zeit habe an jedem Fenster mit den biblischen Motiven genagt. Sie weisen starke Korrisionsschäden auf. Manche Fenster sind durch Steinschlag beschädigt.

Das Gutachten des Professors erwartet der Pfarrer noch in diesem Monat. Draußen vor der Tür sind dagegen die Bauarbeiter bei den letzten Arbeiten der im Vorjahr begonnenen Dachsanierung.

Eggebrecht weiß und hofft, dass er die Bautrupps rund um die Kirche wohl nie los wird. Denn es gebe noch viel zu tun. Diese Meinung teile mit ihm das Landesamt für Denkmalpflege. Dort ist man der Meinung, dass die Kirche erhalten werden muss, weil dort alles einmalig ist. Die jungen Frauen indes steigen von der Leiter und freuen sich, dass ein Neugatterslebener sie zum Mittagessen eingeladen hat.