1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Für Supermarkt-Neubau: Für Supermarkt-Neubau: Historisches Standesamt in Roßlau wird abgerissen

EIL

Für Supermarkt-Neubau Für Supermarkt-Neubau: Historisches Standesamt in Roßlau wird abgerissen

Von Heidi Thiemann 09.03.2019, 08:00
Das Gelände um die ehemalige Direktorenvilla und das spätere Standesamt war schon lange verwildert, der Verkehrsgarten ist kaum noch zu erkennen. Nun hat hier der Abriss begonnen. Laut Stadtverwaltung stand das Gebäude nicht unter Denkmalschutz.
Das Gelände um die ehemalige Direktorenvilla und das spätere Standesamt war schon lange verwildert, der Verkehrsgarten ist kaum noch zu erkennen. Nun hat hier der Abriss begonnen. Laut Stadtverwaltung stand das Gebäude nicht unter Denkmalschutz. Thomas Ruttke

Roßlau - Aufregung in Roßlau. Das ehemalige Standesamt wird abgerissen. Es weicht dem Neubau für einen Supermarkt. Gehölze wurden gefällt. Zur Zeit wird das ehemalige Stadthaus II, in dem sich das Standesamt befand, entkernt. Nicht nur Birgit Steinfeldt, die gegenüber im Bahnhof eine Pension betreibt, ist alarmiert. „Ich finde es nicht tragbar, ein Haus zu opfern, das unter Denkmalschutz steht“, sagt sie. Denn damit gehe ein Stück Stadtgeschichte verloren.

Die Stadtverwaltung bestreitet den Schutzstatus, den eine Seite im Internet ausgibt. Denkmalschutz „hat für das ehemalige Standesamt zu keiner Zeit bestanden“, erklärt Pressesprecher Carsten Sauer. Er bestätigt den Abriss. „Dafür liegt vom privaten Eigentümer eine Abbruchanzeige vor.“ Eine Genehmigung müsse nicht erteilt werden. Weil nie Denkmalstatus bestanden habe, seien Restriktionen seitens der Stadt auch nicht möglich, so Sauer. 2017 wurde ein B-Planverfahren mit umfangreicher öffentlicher Beteiligung durchgeführt. Im Ortschaftsrat, Bauausschuss und Stadtrat war der Ersatzbau des Rewe-Marktes Thema.

Ab 1963 wurde das Haus als Kinderkrippe genutzt, später war es Standesamt

Der ehemalige Roßlauer Bürgermeister und Dessau-Roßlauer Oberbürgermeister Klemens Koschig bedauert, dass es „damals keinen Aufschrei“ gab bezüglich des jetzt vor dem Abriss stehenden Gebäudes. Denn dieses hat eine lange Geschichte. Es wurde 1868 nach der Versteigerung und dem Abbruch eines alten Eisenbahn-Stationsgebäudes durch die Berlin-Anhalter Eisenbahn auf der Abbruchstelle neu errichtet.

Erbaut wurde hier die Direktorenvilla der Strontian- und Pottaschefabrik. Ab 1963 wurde das Haus als Kinderkrippe genutzt, später war es Standesamt, auch ersatzweise Einwohnermeldeamt - bis zur Stadtfusion von Dessau und Roßlau. Dann zogen die Mitarbeiter ins Roßlauer Rathaus. Der Sanierungsaufwand, wurde begründet, war zu hoch.

Koschig bezeichnet die dann folgende Entwicklung am Luchplatz als „leidvolle Geschichte, die mit Hantusch um die Ecke kam“. Joachim Hantusch war von 2008 bis 2015 Wirtschaftsdezernent. Er hätte sich gewünscht, sagt der ehemalige OB, dass das Baudezernat mit dem Investor darüber verhandelt hätte, das alte Gebäude in den Neubau mit einzubeziehen. Für Koschig wäre so eine Gestaltung eine Win-win-Situation, weil sich Bürger damit mehr identifizieren können. „Alte Zeugnisse sind heute doppelt so wertvoll“, findet er.

Zuletzt war das Gebäude beim Heimat- und Schifferfest 2015 genutzt worden

Auch Ortsbürgermeisterin Christa Müller gibt zu, dass es schade ist, wenn das Stadthaus II verschwindet, „aber es hatte sich dort nichts mehr getan, irgendwann ist das Gebäude eine Ruine“. Zuletzt war es beim Heimat- und Schifferfest 2015 zur 800-Jahr-Feier Roßlaus genutzt worden. Länger schon nicht mehr in Betrieb war der daneben befindliche Verkehrsgarten. Das Gelände verwilderte mit der Zeit.

„Nun gibt es einen Investor“, ist sie froh, dass sich etwas bewegt und es bald einen neuen Rewe-Markt gibt. Zum Markt sagt Rewe-Sprecherin Nadja Keller: „Wir befinden wir uns noch früh im Planungs- und Genehmigungsverfahren.“ Mittelfristig solle der bestehende Markt durch einen neuen Neubau ersetzt werden. In diesem ist Rewe aber nur Mieter.

Das ehemalige Bahnpostamt soll bleiben

Auch wenn das Stadthaus II nun verschwinde, ein anderes unter Denkmalschutz stehendes Gebäude soll nach Kenntnis von Ortsbürgermeisterin Müller stehen bleiben. „Dem Haus ist allerdings im Vorjahr das Wappen gestohlen worden“, sagt sie. Bei dem Gebäude handelt es sich um das ehemalige Bahnpostamt, weiß Koschig.

Das ist um 1870 mit dem Neubau des Roßlauer Bahnhofs entstanden. Das Haus hat zwei Besonderheiten. Zum einen tragen Ziegel die Stempel der Dampfziegelei in der Südstraße. Zum anderen hat das Haus ein herzogliches Wappen. Das aber fehlt seit dem Sommer 2018. Es wurde von Unbekannten herausgeschnitten. „Das Denkmal“, so Koschig, „ist damit entwertet.“ (mz)

Die alte Bahnpost soll wohl bleiben. Verschwunden aber ist das Wappen.
Die alte Bahnpost soll wohl bleiben. Verschwunden aber ist das Wappen.
Thomas Ruttke