1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Festival II: Festival II: Im Zentrum tanzt Berlin

Festival II Festival II: Im Zentrum tanzt Berlin

Von Andreas Hillger 25.02.2004, 16:45

Dessau/MZ. - Und eben diese Kombination wird - dank der detektivischen Recherche des Musikhistorikers Lothar Prox und der praktischen Umsetzung des Dirigenten Helmut Imig - beim Fest-Finale erstmals wieder zu erleben sein.

Denn zwischen den beiden Choreografien "Die sieben Todsünden" und "Der neue Orpheus", mit denen Gregor Seyffert und Jörg Waschinski samt Compagnie das Anhaltische Theater erobern wollen, erfüllt sich ein lang gehegter Wunsch des Stummfilm-Experten Lothar Prox. Seitdem er vor Jahrzehnten eine sogenannte Piano-Direktionsausgabe der bis dato verschollen geglaubten und mythisch verklärten Komposition bei einem Journalisten entdeckt hatte, hoffte er auf eine Wiederbelebung dieses Gesamtkunstwerks aus Film und Musik. Und nachdem er von einer übereilten Rekonstruktion für die Berlinale 1982 enttäuscht wurde, scheint ihm dieses Ziel dank der Zusammenarbeit mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg nun zum Greifen nah.

Von der Uraufführung gibt es wahrlich Legendäres zu berichten: Der Komponist Meisel, der seinen Kollegen auch nach seiner Mitwirkung an Sergej Eisensteins "Panzerkreuzer Potemkin" als eher modischer denn moderner Klangkünstler galt, soll sich von Ruttmanns Dynamik und Stimmung zu Superlativen provoziert gefühlt haben. Nicht weniger als 75 Musiker hätte der Film-Kapellmeister im Graben und auf den Galerien platziert, berichteten Augenzeugen der Premiere. Neben den Signaltrompetern im Saal sei auch ein massiver Schlagwerk-Apparat zum Einsatz gekommen, der dem Bild-Stakkato stützend und stimulierend zur Seite gestanden habe.

Diese Beschreibung wird nicht zuletzt durch jene zeitgenössischen Kritiker beglaubigt, zu denen auch Kurt Weill gehörte - und denen das Werk "zu dick verpackt" erschien. Dass es in seiner direkten Kooperation von Filmemacher und Tonsetzer gleichwohl eine Pionierleistung ist, deren Rekonstruktion alle Mühen lohnt, unterstreicht Prox vehement. Der Klavierauszug, der dank der Einzeichnung von Instrumental-Stimmen eine vollständige Wiederherstellung gestattet und der heute zum Bestand der Stiftung Deutsche Kinemathek zählt, dürfte als frühes Beispiel für die Emanzipation der Filmmusik von der bloßen Untermalung gelesen werden. Dass in der Konfrontation auch die beiden Weill-Ballette nach Texten von Bert Brecht und Yvan Goll neue Aspekte gewinnen, ist absehbar. Im Zentrum dieses Triptychons aber tanzt und rast Berlin.