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Familiengeschichte begegnet Großen der Stadtgeschichte

Von SILVIA BÜRKMANN 27.11.2009, 19:55

DESSAU/MZ. - Seit 20 Jahren schon lebt diese Liaison, begrüßt und gutgeheißen von Ehefrau Verena ebenso wie vom Arbeitgeber der Bibliothekschefin: Der einstige Buchhändler und passionierte Kunstsammler Harksen hat der Anhaltischen Landesbücherei (ALB) seither Bücher geschenkt. Hochwertig-druckfrische Belletristik ebenso wie seltene Sachliteratur konnten so schon in den ALB-Bestand, freut sich Gabriele Schneider. Gestern nun erfährt diese lange Partnerschaft ihre Krönung: Harksen überlässt der Bücherei über 1 000 Bücher.

Aufgereiht ergibt das etwa 30 "laufende Meter". Zeit seines Lebens Sammler und als Buchhändler in Frankfurt / M. und Verlagsvertreter immer dicht an der Quelle des Bücher-Marktes hat der Spender diese Geschenke einst auch auf Messen und in Antiquariaten erworben, darunter einige Raritäten. Und prompt vertiefen sich der Spender und die Beschenkten in die Buchreihe und ins Fachsimpeln. Sozialdezernent Gerd Raschpichler hebt neben dem kaum zu beziffernden materiellen Wert die ideelle Wirkung der Gabe hervor. So kommen der Stadt Dessau-Roßlau in diesem Jubiläumsjahr auch die geschenkten Titel zum Thema Bauhaus höchst gelegen. "Herr Harksen, Sie verschenken so viel und sind selbst ein Geschenk. Für uns", bringt es Gabriele Schneider in ein blumig-freundliches Bild.

Harksen ist also gebürtiger Dessauer, kam 1940 wie alle vier Kinder des Volkswirts Hans Harksen (Vertrauter des früheren Oberbürgermeisters Fritz Hesse 1918-1933) im Evangelischen Krankenhaus am Seminarplatz zur Welt. Mit der Nazi-Machtübernahme verlor die Familie mit dem als "Kulturbolschewisten" gebrandmarkten Hesse den Brötchengeber und kam bei Verwandten in Berlin unter.

Als Hesse nach dem Krieg wieder in Dessau als Oberbürgermeister eingesetzt wurde, erreichte die Harksens ein kurzer Brief aus der Muldestadt. Eine Order vielmehr: "Dienstantritt am 2. Januar 1946" - die Familie kehrte zurück. Vater Hans fasste später im Stadtarchiv Fuß. Während es die älteren Schwestern ins Land verschlug - Sibylle als die Älteste unter anderem an die Moritzburg Halle und nach Potsdam-Sanssouci - blieb der Filius Hans-Gustav in Dessau, erlernte hier bei "Elmo" den Beruf des Elektromaschinenbauers. 1960 "mit dem Glockengeläut zum Reformationstag", zog es den Zwanzigjährigen dann über Berlin in den Westen ins hessische Frankfurt. In der Geburtsstadt Goethes und Heimat der weltgrößten Buchmesse begann Harksens Leben und Wirken als Buchhändler und Verlagsvertreter, dem er 26 Jahre bis zum Ruhestand nachging.

Die Verbindung nach Dessau freilich riss nicht ab, erlebte nach der Zeiten-Wende im Osten Deutschlands vor 20 Jahren eine höchst lebhafte Neugeburt. Ausgeschlossen, dass der Ur-Anhalter zur gestrigen Jahresversammlung des Anhaltischen Kunstvereins fehlen würde, also haben sich Hans-Gustav und Verena Harksen zum sechsten Mal in diesem Kalenderjahr nach Dessau aufgemacht. "Egal, ob wir uns in Frankfurt zanken, wer denn als Erster die Mitteldeutsche Zeitung lesen darf, diese Stadt lässt uns nicht los."