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Ehrliche Kritik bringt viele Ideen aufs Papier

Von SYLKE KAUFHOLD 20.10.2009, 17:02

DESSAU/MZ. - Das Interesse war groß, der Raum sogar mit zusätzlichen Stuhlreihen gefüllt. Einzelhändler und Gastronomen der Zerbster Straße waren ebenso gekommen wie Dessauer Bürger und einige Stadträte. Nur die Verwaltung blieb mit den zwei abgeordneten Leuten stark unterrepräsentiert, was in der Runde mit Missfallen aufgenommen wurde. "Ich hätte schon eine Verwaltungsspitze hier erwartet, die sich interessiert", kommentierte dies Dirk Haja, Mitglied im Leopoldsverein. Die Diskussion indes verlief erfreulich sachlich. Alle hielten sich an die von Moderator Oliver Dewess herausgegebene Devise des Abends, keine Schuldzuweisungen machen, sondern nach vorne schauen und neue Ideen finden zu wollen. "Denn Letzteres kann und will die fünfköpfige Arbeitsgruppe nicht leisten."

Die im Raum saßen, hatten sich allesamt Gedanken gemacht um die Zukunft von Dessaus "guter Stube" - und sie sagten ehrlich ihre Meinung. Wie Herr Matthay, der mit seiner Frau aus Interesse gekommen war. "Auf 100 Meter drei Handygeschäfte, was soll ich da?" Er kritisierte die Schaufenstergestaltung, die er eine "Katastrophe" nannte, und ebenso die unterschiedlichen Öffnungszeiten der einzelnen Geschäfte. "Es zieht mich einfach nichts dorthin."

Viele solcher vermeintlichen Kleinigkeiten wurden im Laufe des Abends angesprochen - die fehlende Weihnachtsbeleuchtung, fehlende Blumen auf dem Markt, der Springbrunnen, der oft nicht läuft, die Sauberkeit nach den Markttagen, fehlende Sitzgelegenheiten. Dinge, die doch einfach zu realisieren sein müssten. Dabei sieht der Citynetverband die Händler und Gastronomen ebenso in der Pflicht wie die Stadtverwaltung. Jene müsste endlich mit den Geschäftsleuten an einem Strang ziehen, nicht gegen, sondern mit ihnen arbeiten, forderte Regina Gröger mit Nachdruck. "Die Stadt kann nicht nur Gebühren eintreiben und sich sonst für nichts interessieren." Auch Anka Jahn von der Brasserie L'Apart beklagte die Probleme, die es mit der Verwaltung zum Beispiel bei der Genehmigung der Außenterrasse gebe. "Da gibt es immer wieder Stolperfallen, die uns das Leben erschweren und der Sache abträglich sind."

Es fehlt ein Konzept für die Straße. Von Anfang an. Und so drehte sich auch am Montag vieles um die Frage, was man denn nun eigentlich wolle: eine Weiterentwicklung des Einzelhandels oder die Entwicklung zur Gastronomiemeile? Auch Marcus Galle hielt diese Frage für die entscheidende. Eine Antwort hatte er freilich am Montag nicht parat. Aber die Stadt habe das Problem erkannt und wolle nun von anderen Städten wie Halle lernen.

Eines aber wurde im Verlauf der Diskussion schnell deutlich: Ein Großteil der gesuchten Lösungen scheint in der ursprünglichen Planung zu stecken. "Es wurde ja nur der erste Bauabschnitt realisiert", machte Matthias Bönecke von der Fraktion Pro Dessau-Roßlau aufmerksam. Zuvor hatte FDP-Stadtrat Ulrich Plettner von einer Galerie auf dem Markt geschwärmt. Genau eine solche Kunstmeile hatte der Plaßmann-Entwurf vorgesehen. "Das war damals von der Politik nicht gewollt", erinnerte Hans-Georg Otto, damaliger Oberbürgermeister, heute Stadtrat, daran, dass einige der heute Agierenden damals andere Entscheidungen hätten treffen können. Er riet dem Citynetverband, den Planer von damals einzuladen.

Nach dreistündiger Diskussion hatten sich auch die Schreibblöcke der Arbeitsgruppenmitglieder mit Ideen, Anregungen und Kritikpunkten gefüllt. "Wir werden alles aufarbeiten und der Verwaltung und Politik vorlegen, um den nächsten Schritt machen zu können", sicherte Oliver Dewess zu. Hans-Georg Otto hatte empfohlen, eine Beschlussvorlage für den Wirtschaftsausschuss zu erarbeiten. Die Forderung nach Entscheidungen im Rathaus wurde mehrfach und mit Nachdruck gestellt. "Die Stadt muss endlich als Dienstleister und Entscheidungsträger fungieren, und nicht als Bedenkenträger", sagte etwa Oliver John und machte damit deutlich, dass der Montag als Anfang zu verstehen ist.