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Dezernent lobt gute Arbeit hinter schlechter Statistik

Von SYLKE KAUFHOLD 17.03.2009, 20:23

DESSAU/MZ. - "Das hat uns unheimlich betroffen gemacht, auch die Schüler fühlen sich angegriffen und als Loser abgestempelt", sagt Schulleiterin Doris Hacke am Dienstag ihren Gästen aus dem Rathaus. Sozialdezernent Gerd Raschpichler und Schulverwaltungsamtsleiter Bernd Wolfram waren in die Schule gekommen, um dem Kollegium Zuspruch zu geben. "Wir schätzen Ihre Arbeit sehr und bedauern, dass mit dieser Statistik ein schiefes Bild in der Öffentlichkeit entstanden ist", wandte sich Raschpichler an die anwesenden Doris Hacke, Birgit Lindner und Sabine Wilmer. "Die Statistik kann das Thema nur ungenügend abbilden. Deshalb muss man hinter die Zahlen schauen."

Dort sieht man, dass an der Ganztagsschule "An der Stadtmauer" überdurchschnittlich viel für Schüler getan wird, deren Schulabschluss gefährdet ist. Im Schulmodell-Projekt "Produktives Lernen", das neben dem normalen Sekundarschulbildungsgang seit 2006 angeboten wird, werden Schüler der 8. Klasse aufgenommen, die im Regelschulsystem keine Chance mehr hätten. Sie absolvieren zwei Jahre lang das "Produktive Lernen" und schließen es mit dem Hauptschulabschluss ab. 80 Prozent der Schüler schaffen es. "Sie hätten an ihren Schulen zu den Abbrechern gehört", macht Doris Hacke deutlich. Die Schüler im Produktiven Lernen kommen aus Dessau, Köthen, Zerbst und Aken.

Von der Richtigkeit und Wichtigkeit dieses Projektes sind die Stadtmauer-Kollegen aber trotz der "verpfuschten" Statistik überzeugt. "Der Bedarf ist viel höher, eigentlich müsste man sogar erweitern", meint Birgit Lindner. Denn was die Schüler im Produktiven Lernen in erster Linie erfahren, sind individuelle Förderung und Zuwendung und das Gefühl, keine Versager zu sein. Durch Erfolge in der Praxis schöpfen sie neues Selbstbewusstsein. "Viele Schüler sind mit 12, 13 Jahren schon gebrochene Persönlichkeiten", berichtet Sabine Wilmer. "Sie haben jegliches Selbstvertrauen verloren. Um sie wieder aufzubauen, bräuchten wir die Eltern als verlässliche Partner." Zwar bemühe sich die Schule sehr um diese Eltern, aber mit wenig Erfolg.

Ohne das Produktive Lernen läge die Abbrecherquote bei etwa 13 Prozent. "Auch das ist zu hoch, das wissen wir", so die Schulleiterin. Um die Zahl richtig zu werten, müsse man aber beispielsweise auch das soziale Umfeld der Schule kennen. Mehr als 60 Prozent der Schüler kommen aus Hartz-IV-Familien, einem allein erziehenden Elternhaus oder sind Migranten. "Die Eltern entziehen sich der Verantwortung und wir stoßen an unsere Grenzen."

Die Lehrer bräuchten Unterstützung, um die Schüler auch außerhalb des Unterrichts betreuen zu können. Die Stelle des Schulsozialarbeiters ist aber noch nicht besetzt. Und die Zahl der pädagogischen Mitarbeiter, die ebenfalls sozialpädagogisch tätig sind, wurde auf eine reduziert. "Eigentlich bräuchten wir auch einen Psychologen", sagt Doris Hacke. "Denn viele Schüler haben ernste psychologische Probleme." "Hier sollte man ansetzen und die Schule stärken", schlussfolgert Sozialdezernent Raschpichler. Kommentar