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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Stadtwerke kritisieren Erneuerbare Energiengesetz

Von Thomas Steinberg 04.10.2012, 17:59

Dessau/MZ. - Wenn Fred Kitzing über Politik spricht, dann spricht Spott aus ihm, zumindest, wenn es um das Thema Stromversorgung geht. Kitzing versteht davon etwas, ist in den Stadtwerken Bereichsleiter Strom. Wenn einer wie er etwa in das Erneuerbare Energiengesetz (EEG) schaut, findet er Vorschriften darin, "die technisch völliger Nonsens sind".

Übern Tisch gezogen?

Jürgen Wrona ist Geschäftsführer einer Firma, deren Name etwas länglich lautet: Bau- und Umwelttechnik Gesellschaft für ökologisches Investment mbH. Sie hat ihren Sitz in Delbrück und errichtet Windparks und Photovoltaikanlagen. Wenn Wrona über die Stadtwerke Dessau spricht, redet er "von über den Tisch ziehen".

2009 in Kraft getreten, bringt es das Gesetz, das Deutschland die ökologisch korrekte Energiezukunft bescheren soll, bislang auf stolze zwölf Änderungen. Eine Tatsache, die kaum zu überraschen vermag - gerade Umweltpolitiker sehen sich in ihrer Euphorie, die Welt zu verbessern, allzu oft von den Realitäten eingeholt. Was dann regelmäßig folgt, sind so genannte Feinsteuerungen. Bei denen, die sie betreffen, kommen aber die manchmal unscheinbaren Änderungen mit ungeahnter Wucht an.

Wer über eine Energiewende spricht, muss auch über Physik sprechen. Etwa über das Gleichgewicht von Erzeugung und Verbrauch. Oder über Leitungskapazitäten. Das tut die Politik auch. Und sorgt regelmäßig für mehr oder minder helle Empörung bei den Betroffenen. Manchmal haben deren Proteste Erfolg. Manchmal verhallen sie ungehört.

Für Einspeisungsstopp

Etwa im Falle der neuesten Überarbeitung des EEG. Die verpflichtet selbst die Betreiber etwa von Photovoltaikanlagen, Technik einzubauen, mit der es dem regionalen Netzbetreiber möglich ist, die Solarstromeinspeisung zu stoppen. Der aktuelle Gesetzestext kennt dafür eine Übergangsregelung: Abhängig von der Leistung der Anlage und dem Zeitpunkt ihrer Inbetriebnahme gelten unterschiedliche Fristen, die herauszulesen allerdings einige intellektuelle Akrobatik verlangt.

Möglicherweise war man in dieser Hinsicht bei den Stadtwerken nicht gelenkig genug; jedenfalls erhielt Wrona einen Schriebs, der von ihm verlangte, die erforderliche Technik in seinem unweit der Stadtwerke befindlichen Solarkraftwerk einbauen zu lassen, und zwar zum 1. Januar kommenden Jahres. Das war falsch, und auf Wronas Protest hin korrigierten sich die Stadtwerke auch und nahmen die Delbrücker Öko-Stromer für ein Jahr später in die Pflicht. Stadtwerke-Mann Kitzing entschuldigend: "Das EEG wird alle naselang geändert."

Und es ist dieses EEG, das die Netzbetreiber verpflichtet, allen Stromerzeugern keine Vergütung auszuzahlen, wenn sie nicht rechtzeitig ihre Anlagen aufgerüstet haben. Kitzing könnte gern darauf verzichten, den Buhmann zu spielen: "Wir haben ausreichend Kapazitäten in unserem Netz."

Dass vom Gesetz nun selbst Kleinanlagen auf den Dächern von Einfamilienhäusern überdies als (fast) ebenso systemrelevant angesehen werden wie große Wind- oder Solarparks, kann Kitzing ebenso wenig verstehen wie etwa der Bundesverband Solarwirtschaft. 20 Kilowatt im Netz - mit denen sich gerade einmal 10 Wasserkocher betreiben lassen könnten - spielen tatsächlich technisch keinerlei Rolle.

Exorbitante Kosten

Aber juristisch. Und so schreiben die Stadtwerke die Einspeiser regenerativer Energien an, und weisen sie darauf hin, dass sie eine Fernsteuerung einbauen lassen müssten. Die Technik ist urig und billig - eigentlich, manche Netzbetreiber bieten die Funkempfänger für 200 Euro netto und weniger an. Die Stadtwerke Dessau aber verlangen 745 Euro für identische Technik. Dass andere noch teurer sind, ist Wrona kein Trost, er verdächtigt die DVV, ihre Marktposition auszunutzen.

Kitzing widerspricht. "Wir können es nicht besser", rechtfertigt er die Stadtwerke und spricht selbst von "exorbitanten Kosten", die aber nicht bei den Stadtwerken anfallen würden, sondern bei der Firma Mitnetz Strom, die 2,5 Millionen Menschen vor allem in Sachsen-Anhalt mit Strom versorgt.

Kitzing spricht vom Marktführer, der den Stadtwerken bei der Bereitstellung der Technik helfe, die auch eingerichtet und installiert werden muss. Man habe mit Mitnetz ohne Erfolg über die Kosten geredet und durchgerechnet, ob man selbst es günstiger könne - die Antwort war in beiden Fragen laut Kitzing negativ.

Und so werden Wrona und andere Solarstromanlagen Geld für Technik bezahlen müssen, die (in Dessau) niemand will und niemand braucht.