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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Mosigksches Palaver

Von Danny Gitter 07.05.2012, 19:03

Dessau-Rosslau/MZ. - Es war perfekt, das babylonische Sprachengewirr am Sonntagnachmittag im Johannbau. Vom Grundton sehr ähnlich. Da wurde "jeschlawwert" und auch "scheene Jeschichten" erzählt. In den sprachlichen Nuancen offenbarte sich aber das multilinguale Dessau-Roßlau. Da kann der Törtener schonmal achselzuckend vor der Mosigkauerin stehen, wenn diese ihm in ihrem ureigenen Zungenschlag "Jeschichten aus Mosigke" erzählt. Viel Lokalkolorit lag am Sonntagnachmittag zur Premiere des Hörbuchs "ANHALTend GUT - Mundart aus Dessau- Roßlau" in der Luft.

Ein halbes Jahr wurde beraten, gesammelt, konzipiert und im Studio von Juf Multimedia am Dessauer Schloßplatz aufgezeichnet, um dann das fertige Werk der Öffentlichkeit zu präsentieren. Auf Initiative der ehemaligen Journalistin Bärbel Petzold wurden Heimatvereine der Doppelstadt mobilisiert, um Mundartgeschichten von Mulde und Elbe zum Anhalt-Jubiläum auf einem Hörbuch zu verewigen. Der Inhalt nur weniger der insgesamt rund 80 Minuten der CD erblickte am Sonntag tatsächlich das Licht der Öffentlichkeit. Mit Erzählungen "off the records", jenseits der Tonaufnahme, stellten einige der Autoren und Sprecher Geschichten und Hörproben aus den verschiedenen Stadtteilen vor.

Von Bubenstreichen rund um Zitronen- und Birnbäume in Mosigkau erzählte Kristina Schlansky. Viele solcher Alltäglichkeiten in Mosigkauer Mundart hat ihr Vater Walther Pflug aufgezeichnet. Schlansky bewahrt das Erbe und hat es auch schon ihrer Tochter weitergegeben. Dabei hatte diese Familientradition durchaus auch mit Widerständen zu kämpfen. Egal ob zu Tisch oder auf der Straße. Immer mahnte die Mutter, anständiges Deutsch zu sprechen. Immer wieder ließ sich der Vater den Mund nicht verbieten. Schlansky fand als Tochter Gefallen daran. Nicht wenige im Ort tun es ihr gleich. "Viele ältere und auch jüngere, die nicht groß raus aus Mosigkau gekommen sind, sprechen noch Mundart", beobachtet Schlansky. Sie, seit ihren ersten Tagen alteingesessene Mosigkauerin, ging mal für ein paar Jahre raus zum Studieren. Kehrte dann aber wieder zurück.

Als Kunsthistorikerin arbeitet Schlansky für die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Gibt dann und wann Führungen durch das Schloss Mosigkau. Aristokratie und Mundart sind für Schlansky keine Gegensätze wie Feuer und Wasser. "Am Dessauer Hof gab es keine so strenge Etikette. Es wurde viel mehr Deutsch als Französisch gesprochen. Teile der Fürstenfamilie waren sogar volkstümlich", erzählt die Kunsthistorikerin. So soll selbst Fürst Franz zum Beispiel durch die Beteiligung an Löscheinsätzen sehr volksnah gewesen sein, auch wenn er in vielerlei Hinsicht als absolutistischer Landesvater gilt. Die Klaviatur von Mundart über Standardsprache bis zu Fremdsprachen mag er auch beherrscht haben. Das Schloss Mosigkau bezeichnet Schlansky als "Insel im Ort". "Einerseits trennten die Bauernhöfe und das fürstliche Anwesen Welten. Andererseits war das Schloss für die hiesigen Bauern ein günstiger Absatzmarkt", so Schlansky. Aber stolz auf das Anwesen sind die "Saftditscher", wie sich die Mosigkauer wohl wegen ihres Rübensaftes nennen, noch heute. Ein Stück Identität ist es allemal. Denn schon im Nachbardorf gibt es kein Schloss und ist das Mosigksche Palaver gar eine Fremdsprache.

Sprachlich liegen auch nördlich und südlich der Elbe Welten. Das ist sogar wissenschaftlich bewiesen. Verläuft doch hier die ick- und ich-Grenze. "Wir Roßlauer werden deshalb immer in der Berliner Ecke verortet. Die Dessauer eher Richtung Sachsen", beobachtet Klaus Tonndorf. Mit den Roßlauer Geschichten ist er großgeworden. Das Roßlauer Schifferlatein gibt er jedes Jahr zum Schifferfest zum Besten.

Mit einer Roßlauer Mundartgeschichte über den einstigen Dessauer Oberbürgermeister Fritz Hesse, der 1945 nach Kriegsende von seinem Berliner Exil über Roßlau und die Elbe nach Dessau übersetzte, schlug Tonndorf am Sonntag den sprachlichen Bogen zur Doppelstadt. "Mein Ziel ist es, die Roßlauer Mundart zu erhalten", sagt Tonndorf. Denn immer mehr verblasst der ursprüngliche Sprech der einfachen Leute nördlich der Elbe.