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Ausstellung Ausstellung: Vom Bauhaus nach Palästina

Von Thomas Altmann 27.06.2013, 07:29
Werner Müller, Stiftung Bauhaus Dessau, führte Tom Segev (r.) durch die Ausstellung Chanan Frenkel.
Werner Müller, Stiftung Bauhaus Dessau, führte Tom Segev (r.) durch die Ausstellung Chanan Frenkel. Sebastian Lizenz

Dessau/MZ - „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, sagte Martin Buber, dessen Porträt überlebensgroß neben denen von Mosche Dajan oder Jitzchak Rabin im Haus Schlemmer hängt, fotografiert von Ricarda Schwerin. „Vom Bauhaus nach Palästina: Chanan Frenkel - Ricarda und Heinz Schwerin“ heißt die Sommerausstellung der Stiftung Bauhaus Dessau im Meisterhaus Muche/Schlemmer. Das sei ein sehr persönlicher Blick auf die Geschichte, auf drei Migrations- und Lebenswege. Damit werde dem homogenen Bild der „kanonischen Bauhaus-Geschichtsschreibung“ ein differenzierteres Bild entgegengesetzt, sagte Regina Bittner, stellvertretende Direktorin der Stiftung, am Dienstag im Beisein von Jutta Schwerin, Tom Segev und David Frenkel, der Kinder der Bauhaus-Schüler, und des Vizepräsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt, Gerhard Miesterfeld.

„Sie kommen aus Not und aus Europa“, Sylvia Asmus, Leiterin des Deutschen Exilarchivs Frankfurt, zitierte Ernst Freudenheim, sprach über Identität und Heimat, über absurden Assimilationsdruck und Transkulturalität, über die besonderen Verhältnisse in Palästina, über Einwanderungsquoten der britischen Mandatsregierung und gemäß des Vermögens zertifizierte Kategorien von Flüchtlingen.

Die Arbeit der Eltern nun hier zu sehen, sei schön und wunderlich zugleich, sagte Jutta Schwerin, ehemalige Abgeordnete des Deutschen Bundestages. „Die Möbel und Spielzeuge waren Gegenstände unseres kindlichen Alltags. Sie waren für uns nichts Besonderes und nun sind sie auf einmal museal.“ Doch weniger die Bauhäusler, eher die Geschichten dreier Menschen, die auf Zeit Schüler am Bauhaus waren, werden vorgestellt. Ricarda, damals noch Meltzer, und Heinz Schwerin verlassen die Schule ohne Abschluss, erhalten 1932 im Rahmen der Ausweisung kommunistischer Studierender Hausverbot und gehen nach Frankfurt am Main. Er verteilt Flugblätter, kommt in Haft, flieht. Beide flüchten über Prag, Ungarn und die Schweiz nach Jerusalem, wo sie die Werkstatt „Schwerin Wooden Toys“ eröffnen. Eine Holzwalze steht in einer der Vitrinen, ein Block von einer Walze, hölzerne Autos oder der Baukasten „Jerusalem“, vom Jaffator bis zum Tor des Erbarmens.

1948 verunglückt Heinz. Ricarda gründet ein Säuglingsheim für Flüchtlingskinder, beginnt wieder zu fotografieren, mit ihrem späteren Lebensgefährten, dem emigrierten Fotografen Alfred Bernheim. Sie fotografiert jüdische Persönlichkeiten und Architektur. Palästina wurde ihr ein Zufluchtsort „aus Mangel an anderen Möglichkeiten“, schreibt sie 1948 an Hannes Meyer, den zweiten, seiner politischen Einstellung wegen aus dem Amt geschobenen Bauhausdirektor.

Für den Zionisten Chanan Frenkel war dagegen die Flucht aus Nazi-Deutschland auch eine Ankunft in der Heimat. Frenkel war schon vor seinem Studium am Bauhaus in Palästina, gehörte zu den Mitbegründern des Kibbuz „Givat Brenner“. Die Diplomarbeit des Architekten aus dem Jahr 1932 ist im Haus Muche zu sehen. „Strandbad Grünau bei Berlin“, konzipiert für 12 300 Personen. In Tel Aviv arbeitet er dann aktiv am Aufbau des Landes mit, als Modellbauer auch an den Vorbereitungen für die Weltausstellungen 1937 in Paris und 1939 in New York. Er entwirft im Privatauftrag das Haus Eulau, arbeitet für die britischen Mandatsbehörden und profiliert sich auf dem Gebiet des Krankenhausbaues. In den Wohnzimmern Muche und Schlemmer werden die Verhältnisse hinter den Biografien erwogen, das Bauhaus in der Endphase und der Weg zum Staat Israel, den David Ben Gurion am 14. Mai 1948 in Tel Aviv proklamierte.

Chanan Frenkel im Büro 1935
Chanan Frenkel im Büro 1935
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