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Anwalt des Umweltschutzes bekommt was auf die Mütze

Von THOMAS STEINBERG 04.06.2010, 19:37

DESSAU/MZ. - Eines lernte Jochen Flasbarth sehr schnell. Als Chef des Umweltbundesamtes kann auch eine noch so beiläufig fallen gelassene Bemerkung dort landen, wo er sich nicht haben wollte - auf den Titelseiten der Gazetten. Und dass es für sehr bewusst gemachte Aussagen auch richtig was auf die Mütze geben könne. Wie bei der Uba-Forderung nach der Pkw-Maut. Von der er selbst gar nicht so überzeugt sei, denn viel besser sei es, den Sprit zu besteuern, um über das Geld dessen Verbrauch und damit den CO-Ausstoß zu senken, "aber eine Erhöhung der Steuer hatte die Politik ja definitiv ausgeschlossen".

Flasbarth ist seit September neuer Präsident des Umweltbundesamtes und war am Donnerstagabend Gast im Georgenzentrum, wo er von einem anderen Präsidenten interviewt wurde. Dem der Evangelischen Landeskirche Anhalts Jochen Liebig, der sich als wohlinformiert zeigte und durchaus Qualitäten als Talkmaster erkennen ließ. Jochen Flasbarth gilt als Anwalt des Umweltschutzes, engagierte sich schon in seiner Jugend ehrenamtlich, war elf Jahre Präsident des Naturschutzbundes, Mitbegründer des Verkehrsclubs Deutschlands, für den Mobilität mehr bedeutet als freie Fahrt für freie Bürger, beriet den Bundestag in Umweltfragen, bevor Jürgen Trittin ihn als Abteilungsleiter ins Umweltministerium rief. Dass der Umweltschutz fest verankert sei in den Volksparteien, da sei er sich nicht ganz sicher. Die SPD sei nach all den von ihr umgesetzten Reformen vorsichtig geworden, und er könne auch nicht erkennen, dass Norbert Röttgen über einen riesigen Fankreis verfüge.

Flasbarth wuchs auf im Ruhrgebiet, in Rheinhausen, damals eine dreckige und stinkende Stadt. "Krupp war für mich der Inbegriff alles Negativen." Und doch: als Krupp in der Stahlkrise Jahre später schloss, da sei ihm wehmütig geworden. Gleichzeitig dient ihm das Schicksal der Stahlindustrie als warnendes Beispiel, dass die Gesellschaft nicht immer und ewig bereit sei, einen Wirtschaftszweig zu stützen - etwa die Landwirtschaft, von der er ein Umsteuern verlangt und deren Subvention er gern abhängig wüsste von umweltgerechter Produktion und der damit einhergehenden Sicherung von Arbeitsplätzen.

"Kritisch, unbequem, politisch neutral" - so sieht Flasbarth (und so sahen es seine Vorgänger) das Umweltbundesamt. Eine Behörde, deren Chef es sich leisten kann, nach dem Debakel des Klimagipfels von Kopenhagen die Europäer vor Überheblichkeit zu warnen, die sich in der Erwartung ausdrücke, dass alle begeistert sein müssten, wenn die EU sich verpflichte, die Treibhausgasemissionen zusätzlich zu senken, wenn andere mitzögen. Die Kräfteverhältnisse hätten sich verschoben, die Schwellenländer säßen nicht mehr am Katzentisch. Deren Vertreter - an amerikanischen Unis ausgebildet - legten inzwischen oftmals eben soviel Arroganz an den Tag wie die Amerikaner, deren so umjubelter Präsident in Kopenhagen als einziger durch eine eigens gebaute Tür den Verhandlungssaal betreten habe.

Auch wenn das Thema inzwischen weniger populär ist: Flasbarth hält fest an der Notwendigkeit der radikalen Kohlendioxid-Reduktion und hält sogar eine 100-prozentige nicht für ausgeschlossen. Auch wenn ihm dann von Politikern schon nachgesagt wurde, er wolle den Menschen das Atmen verbieten. Es sind solche Äußerungen, in denen er einen Mangel an Ernsthaftigkeit ausmacht. "Können Gefühle nicht hinter sachlichen Argumenten zurückstehen?" Flasbarth hat es möglicherweise aber leichter als andere Umweltschützer - er ist Volkswirt, und vor denen, amüsierte er sich, gebe es einen "Höllenrespekt und die Erwartung, dass wir die Welt erklären können".

Es sind denn auch immer wieder nüchterne ökonomische Betrachtungen, auf die Flasbarth zurückgreift, etwa wenn es um die Elbe geht. Der Unterhalt der Elbe finde dort statt, so Flasbarth, wo kaum mehr Verkehr stattfinde. Und angesichts des Geldmangels registriere er sogar in den Ministerien ein Umdenken.