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Als Amerikaner Zerbst einnahmen

Von Claus Blumstengel 26.04.2007, 15:35

Zerbst/MZ. - Hierbei fiel kein Schuss mehr, obwohl der Nazi-Kampfkommandant zuvor die Übergabe der Stadt mehrfach abgelehnt hatte. Den entbehrungs- und opferreichen Weg des Buckshot-Regiments bis nach Zerbst schildert Autor Udo Pfleghar in seinem 1998 erstmals erschienenen Buch "Brückenkopf Zerbst", das seit sechs Jahren vergriffen ist. In der kommenden Woche legt Pfleghar seine Abhandlung in einer überarbeiteten zweiten Auflage vor.

Verlustreiche Kämpfe

Hinter den "Buckshootern" lagen verlustreiche Kämpfe in der Normandie, vor der französischen Halbinsel St. Malo und im Hürtgenwald bei Aachen, bis die Männer bei Barby an er Elbe die "Truman-Bridge", den "Brückenkopf Zerbst" errichteten, über den sie eigentlich weiter nach Berlin vorstoßen wollten. Doch ein Haltebefehl des amerikanischen Generals Dwight D. Eisenhower stoppte den Vormarsch. Dennoch wurde die Stadt Zerbst am 16. April 1945 von amerikanischen Bombenflugzeugen in Schutt und Asche gelegt, wobei mehr als 500 Einwohner den Tod fanden.

Wäre das einst "anhaltisches Rothenburg" genannte Städtchen Zerbst mit seinen imposanten mittelalterlichen Bauten gerettet worden, wenn Eisenhowers Befehl die Bomberpiloten früher erreicht hätte? Warum sind die Amerikaner nicht weiter nach Berlin vorgerückt? Warum leisteten deutsche Soldaten auch in und um Zerbst noch fanatisch Widerstand, als der 2. Weltkrieg für Deutschland praktisch schon verloren war?

Zeitzeugen befragt

Diese und weitere Fragen versucht der in Köln lebende Autor Udo Pfleghar zu beantworten. Neben Dokumenten aus deutschen und amerikanischen Archiven nutzt er Befragungen von Zeitzeugen, die er über eine Anzeige in der Zeitschrift der US-amerikanischen Veteranenvereinigung fand. So kam es auch zum persönlichen Kontakt mit dem amerikanischen Offizier Francis C. Schommer, der im April 1945 in einem waghalsigen Einsatz gemeinsam mit den Zerbster Bürgern Heinrich Gelzenleuchter und Dr. Hermann Wille die Stadt vor der endgültigen Vernichtung bewahrt und so zahlreiche Menschenleben gerettet hat. Mit Schommers Sohn John verbindet Pfleghar bis heute eine Freundschaft.

Dem Autor ist es Bedürfnis, die Leistung der US-Amerikaner bei der Befreiung Europas vom Hitlerfaschismus zu würdigen, insbesondere den herausragenden Kampf der 5 000 Soldaten des 329. Buckshot-Regiments. Die Leser seines Buches sollen nicht zuletzt Lehren aus der Geschichte ziehen. "Ich habe mich vor allem deshalb mit dem Schicksal der Stadt Zerbst befasst, weil mein Vater Ernst Pfleghar ihren Untergang kurz nach dem Krieg mit Hilfe zahlreicher Augenzeugenberichte dokumentiert hat", weist Pfleghar auf das Buch "Zerbst im April 1945" hin, das diese von seinem Vater gesammelten Berichte enthält.

Udo Pfleghar wurde 1927 in Zerbst geboren und besuchte hier das Francisceum. In den letzten drei Jahren des 2. Weltkrieges war er Luftwaffenhelfer und Soldat der Wehrmacht. Nach dem Krieg studierte er an der Freien Universität Berlin sowie an den Universitäten Köln und Granada Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften. Bis zur Pensionierung war Ernst Pfleghar im Schuldienst beschäftigt, zuletzt als Leiter einer Schule in Köln.

Seit seinem Studium ist der Autor journalistisch und literarisch tätig. Er schreibt für Zeitungen und Zeitschriften Reiseberichte sowie historische und kulturhistorische Abhandlungen und hält Vorträge.

Pfleghar, Udo: Brückenkopf Zerbst - Der amerikanische Vorstoß über die Elbe im April 1945, Verlag Extrapost Zerbst; 248 Seiten; 16,00 Euro;

ISBN 978-3-9811559-0-7

Auszüge aus dem Buch im Internet: www.extrapost.de.vu